Montag, 10. Dezember 2012

Amazonas


Nach viel zu langer Zeit melde ich mich jetzt wieder mit einem Eintrag über die letzte Woche zurück. In dieser Woche waren meine Gastschwester und ich mit einer Gruppe von AFS-Freiwilligen und Schülern am Amazonas. Die Ereignisse dieser ereignisreiche Woche möchte euch hier erzählen.

Tag 1:
Obwohl die Tour offiziell erst einen Tag später anfing hatten wir (meine Gastschwester und ich uns dazu entschieden einen Tag früher zu fliegen, weil die Flüge an diesem Tag erheblich billiger waren. Wir machten uns also am Sonntagmorgen um 8 Uhr von Sogamoso mit dem Bus nach Bogotá auf, mussten zum Check-in rennen, weil uns nur noch wenig Zeit blieb. Im letzten Moment fanden wir heraus, dass die Weinflasche, die wir für einen entfernten Verwandten in Leticia mitgenommen hatten, damit er uns in seinem Haus schlafen ließe, in meinem Rucksack Leck geschlagen hatte. Somit mussten wir diese leider in den 5 Minuten vor der Passage der Sicherheitskontrollen vernichten…
Leticia ist die mit um die 30.000 Einwohnern die größte Stadt am kolumbianischen Amazonas und grenzt direkt an Brasilien, wo sie direkt Tabetinga anschließt. Leticia kann nur über den Flughafen oder über den Amazonas erreicht werde, was Autos dort nur bedingt nützlich macht. Deshalb sieht man dort fast nur kleine Motorroller. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Amazonas liegt Peru, das wir auch besuchen sollten. Wir haben es dabei also mit einem Dreiländereck zu tun.
Nachdem wir uns im Flugzeug schon mit einigen andern von unserer Gruppe getroffen hatten, die auch einen Tag früher flogen und nachdem wir nach 2 h Flug in Leticia angekommen waren, nahm uns am Flughafen unserer entfernter Verwandter in Empfang, ein Zahnarzt, der schon seit 30 Jahren in Leticia lebt. Er führ mit uns nach Brasilien und lieferte uns dann bei einem  Hotel ab, seiner Meinung nach eine großartige Möglichkeit die Nacht zu verbringen. Weil keiner von uns beiden so dreist war sich einfach selbst bei ihm einzuladen gingen wir letztendlich in das Hotel, das für den Preis echt anständig war. Abends trafen wir uns noch mit den anderen von unserer Gruppe zum Abendessen und tauschten danach noch die Erfahrungen aus, die wir bis jetzt in unseren Projekten und Gastfamilien gesammelt hatten. Dabei war meiner Meinung nach spürbar, dass im Moment tendenziell eher die Zeit ist, in der sich bei den Meisten eine kleine Depression in ihrer Stimmungskurve einstellt.

Tag 2:
Wenig neues passierte am zweiten Tag, außer, dass wir in ein anderes Hotel umquartiert wurden, das im Reisepreis inbegriffen war, die Restlichen Teilhemer kamen und wir von unseren Reiseführern im Bus noch einmal nach Brasilien gekarrt wurden.

Tag 3:
Eine unserer Lanchas mit der wir uns auf dem Amazonas fortbewegten
Endlich gings los. Früh morgens schifften wir uns auf so genannten  „Lachas“ , kleinen schnellen Motorbooten mit ca. 20 Sitzplätzen, in Richtung Puerto Nariño, eine kleine Ansiedlung von 8.000 Leuten ein Stückchen flussaufwärts. Auf dem Weg dorthin wurden wir zu einer „Comunidad indigena“ (Indigenendorf) gebracht. Wir sollten uns alle auf Sitze aus Baumstämmen setzten, die in einer riesigen Hütte im Kreis für uns aufgestellt waren. Dann Führten, wo die Ankündigung des Tourleiters die Omas des Dorfes mit jüngeren Mädchen, einen Willkommenstanz auf, der hauptsächlich daraus bestand vor und zurück zu laufen, wobei eine Oma mit Trommel den Takt vorgab und dazu sang. Allmählich wurden auch wir zu Mitmachen animiert und nach einer Weile war die ganze Gruppe am Tanzen. Danach wurde uns vorgeführt wie man aus einem giftigen Baum, den man im Regenwald finden kann einen Stoff gewinnt, indem man ihm die Rinde in einzelnen Schichten abzieht und dann breitschlägt. Anschließend wurde jedem von uns ein Kind des Dorfes zugeteilt, mit dem wir eine Bild auf besagtem Stoff malen sollten, mit Farben, die man aus allerlei Urwaldpflanzen gewonnen hatte. Zum Schluss wurden wir alle durften wir die Stände mit „Artesania“ begucken - Kunsthandwerk der Leute des Dorfes – in deren Hoffnung, das wir einiges davon kaufen. Das schildere ich deshalb so genau, weil der Ablauf in den anderen beiden indigenen Dörfern so ziemlich der gleiche war. Einige Deutsche von meiner Gruppe, ich eigeschlossen, nahmen daran Anstoß, dass die Tänze uns nicht genau erklärt wurden und wir uns deshalb wahrscheinlich nicht korrekt verhielten. Andere, dass die Authentizität dadurch verloren gehen würde, dass die Dörfer jeden Tag so ein Theater für Touristen veranstalten und die Dörfer damit in eine gewisse Abhängigkeit vom Tourismus geraten. Ersteres ist sicherlich wahr, da es unmöglich ist eine Zeremonie, die normalerweise nur einige wenige Male im Jahr stattfindet jeden Tag für Touristen authentisch rüberzubringen, da ein großer Teil ihrer Wahrhaftigkeit davon abhängt, dass sie für die Leute die darin teilnehmen etwas besonders ist. Zu der Abhängigkeit versicherte uns einer unserer Guides, der der Dorfvorsteher eines der Dörfer ist, dass der Tourismus lediglich eine Nebeneinkunft für die Tikunas (so heißt der diese Volksgruppe in dem Teil des Amazonas den wir besichtigten) sei; neben dem Anbau von Yuca und dem Fischfang. Eine Alternative zu der Art von Besichtigung konnte sich jedoch keiner aus unserer Gruppen vorstellen.
Tanzen bei den Tikunas
Am selben Tag beobachteten wir außerdem die Amazonas-Flussdelfine, die es in rosa und grau gibt. Sie sind vom Aussterben bedroht, weil sie mit den Fischern in Konkurrenz stehe und deshalb hin und wieder von diesen umgebracht werde. Ein Bild von ihnen zu machen ist allerdings nur den wenigsten von uns gelungen, da sie nur kurz auftauchen und dann auch schon wieder verschwunden sind.
Malen mit Tikunakindern
Am selben Tag gingen wir außerdem noch in einem See, der nur durch einen engen Seitenarm mit dem Amazonas verbunden ist schwimmen. Nachdem wir alle nach Geschichten von Zitteraalen, und Piranhas, bei extrem trüben Wasser anfangs ziemlich Bammel hatten sind letztendlich doch noch alle reingesprungen. Das war bei Sonnenuntergang, und da das Wasser angenehme 25° hatten und man sich mit Schwimmweste auch einfache treiben lassen konnte waren ich dabei einfach selig. Das Gefühl im Amazonas zu schwimmen ist eben schon etwas ganz besonderes.
Über Nacht schliefen wir dann in runden, mit getrockneten Blättern gedeckten Bungalows, ein Stückchen flussaufwärts von Puerto Nariño.

Tag 3:
Am dritten Tag wurden wir, nachdem es morgens erst mal einen heftigen Wolkenbruch gegeben hatte zu einem Zentrum für Bildung über den Amazonas gebracht. Dort guckten wir uns erst mal einen Film über die Delfine an, die übrigens in der Mythologie der Tikuna, mit einer Anakonda als Lendenschurz, einem Stachelrochen als Hut und einer Schnecke als Uhr an Land kommen  können. Außerdem erzählte uns einer der Mitarbeiter dieses Zentrums, in einer Art Planetarium einige Geschichten weiter Geschichten der Tikuna, unter anderem deren Schöpfungsmythos. Des Weiteren wurden wir über so ziemlich jeden bedeutsameren Fisch im Amazonas aufgeklärt, wobei sich herausstellte, dass Piranhas eigentlich gar nicht so gefährlich sind. Die sind nämlich hauptsächlich Aasfresser, was sich uns auch zeigte, als unser Guide später einen toten, an Karies gestorbenen Delfin aus dem Wasser zog, bei dem Piranhas schon eine Gesichtshälfte weggefressen hatten. Lediglich wenn sie Blut im Wasser wahrnehmen oder extrem Hungrig sind fallen sie andere Tiere (auch Artgenossen) oder auch Menschen an.
Am selben Tag stand für und auch eine weiter „Comunidad indigena“ auf dem Programm, in der wir wieder tanzten, ein bisschen mit Lehm auf dem Fluss töpfern durften, mit den Kindern Armbändchen flochten und dann zu Ständen mit Artesanias gekarrt wurden.

Tag 4:
Nach einer weiteren „Communidad indigena“ mit mehr oder weniger dem gleiche Programm wurden wir zum ersten Mal auf die Peruanische Seite gebracht. Von dort wanderten wir auch zum ersten Mal durch den Urwald zu einer stattlichen Herberge, die idyllisch an einem von Amazonas abgeschnittenen See liegt. Den Regenwald von nah, genauer gesagt von inne zu sehen war für mich eine ganz besondere Erfahrung, weil es eines von diesen Dingen war, von denen man immer hört, die man aber selten sieht, riecht und hört; sprich erfährt. Und es war wirklich spektakulär: Bäume verschiedenster Arten mit einem extrem sich überlappenden Kronen, Brettwurzeln mit deren Hilfe man über Kilometer hinweg kommunizieren kann, Lianen überall, riesige Tausendfüßler und Ameisen, die mehr als doppelt so groß sind wie die in Deutschland.
Bei dieser Herberge angekommen standen und eine Reihe von Aktivitäten offen, die wir der nach Belieben machen konnten: Kajak auf dem See fahren, durch weiter durch den Urwald wandern, auf eine Plattform in einem der höchsten Baume weit und breit steigen, Angeln oder Totenkopfäffchen besuchen. Am beeindrucktesten davon fand ich den Aufstiegt auf den Baum. Dabei musste man mit Kletterausrüstung 35 m auf einen Baum steigen. Von der Plattform in der Krone konnte manim Sonnenlicht des Spätnachmittags über den umliegenden Regenwald und den See gucken. So wurde Minecraft Realität :D

Ausblick über den See
35 m in die Baumkrone

Die Plattform im Baum á la Minecraft

Ein ganz besonderes Highlight war auch die Nachtwanderung am selben Tag bei der wir nicht nur die extreme Geräuschkulisse des Regenwaldes hören konnten sondern außerdem die Geschichten unseres Führers über der Waldgeist „Curupira“, der die Gestalt von jedem Wesen annehmen kann, wobei man ihn daran erkennt, dass einer seiner Füße normal nach vorne steht, der andere jedoch nach hinten. Er beschützt nicht nur den Wald vor denen die ihm Böses wollen sondern, hilft auch jenen, die ihn achten. Diese“ Geschichte“ ist nicht nur für die Tikunas sondern auch für unsere Guides und die allermeisten Leute in dieser Region des Amazonas so real wie Moskitos, die dort permanent stechen. Die anschließende, langsame Fahrt im Kanu über den See bei pechschwarzem Regenwald, einem sternenklaren Himmel mit mehr Sternen, als ich jemals zuvor gesehen hatte, die sich in der Spiegelglatten Wasseroberfläche spiegeln, bei ehrfürchtiger Stille war der perfekte Abschluss unserer Tour.

Die nächsten paar Tage war für uns dann der Nachhauseweg angesagt; zuerst im Motorboot, dann im Taxi, dann im Flugzeug, dann im Auto und dann wieder im Taxi. Außerdem sind meine schwäbischen Instinkte durchgekommen, als ich die Preise für Hochprozentiges in Brasilien gesehen hab… :D Danke an alle, die so interessiert sind, dass sie sich durch diese drei Seiten in Schriftgröße 11 in „Word“ durchgekämpft haben. Demnächst werde ich einige weniger lange, kurzweiligere und andersartige Berichte veröffentlichen.
  
Bis Bald

Sonntag, 28. Oktober 2012

Meine Schule (nach 2 Monaten)


Weil in den letzten zwei Woche bei mir echt nichts Spektakuläres passiert ist möchte ich in diesem Eintrag ein bisschen detaillierter über mein Projekt berichten. Das habe ich zwar schon einmal gemacht; allerdings ist das damals ein bisschen knapp und unpersönlich ausgefallen. Teils deshalb, weil ich einen Überblick geben wollte, teils weil ich mich damals noch nicht so gut auskannte.

Der Hauptplatz meiner Schule mit Schülern der Klassen 1-5
Wie gesagt unterrichte ich vormittags die Klassen 6 bis 11 zusammen mit der Englischlehrerin der Schule und nachmittags die Klassen 1 bis 5 alleine. Dabei bereitet meine Kollegin immer den Unterricht vormittags vor. Für nachmittags muss ich mir also selbst was ausdenken, was bei den jüngeren (Klassen 1 bis 3) daraus besteht einzelne Vokabeln zu lernen, meistens durch malen oder singen. Bei Klassen 4 und 5 kann ich allerdings auch erste Sätze mit der Klasse bilden, weil diese Klassen die diszipliniertesten der ganzen Schule sind.
Disziplin! Ein großes Thema in fast allen Klassen. Da die Schüler an meiner Schule häufig die sind, die andere Schulen abgelehnt haben, haben wir ein überproportional  großes Problem mit Disziplin und Respekt gegenüber der Lehrkraft und andern Schülern. Meine Direktorin erklärte mir, dass die Schüler teilweise zuhause ständig Beleidigungen an den Kopf geworfen kriegen und geschlagen werden, sodass sie das dann in der Schule an ihre Klassenkameraden und Lehrer weitergeben.  Abhängig von der Klasse müssen wir deshalb permanent irgendwelche Schlägereinen schlichten. „Callense!“ (haltet den Rand), „Sientanse!“ (setzt euch) und „No se pelean!“ (Schlagt euch nicht) gehören so zu den meistbenutzten Sätzen im Unterricht. Die Situation ist bei den unteren Klassen häufig wegen ihrer Größe noch viel schlimmer. Mit dreißig schreienden Drittklässlern in einem Raum, einfach nicht an ihrem Platz bleiben wollen , manchmal spontan entscheiden auf dem Boden rumzurobben oder mit Müll aus dem Mülleimer ihre Klassenkameraden zu bewerfen ist es manchmal etwas schwierig die Körperteile auf Englisch zu erklären. Meine Strategie dabei ist es einfach die Störenfriede beharrlich zur Ruhe zu rufen, sie, wenn nötig, an ihren Platz zurückzutragen, und mir mit einem lauten „Silencio!“ rufe zu verschaffen. Das hat mal mehr, mal weniger Erfolg. Als Sanktionsmöglichkeit haben wir Lehrer lediglich das „Observador“ genannte Tagebuch oder den Gang zur Rektorin. Beide jagen den Schülern aber nur mäßig Angst ein. Mitunter deshalb sind viele Schüler auch relativ unbeeindruckt wenn ihnen Lehrer Anweisungen erteilen.

Einige Vorfälle in letzter Zeit, die mich als Lehrer eher traurig als verärgert stimmen, waren, dass sich einige Schüler neulich auf dem Schulklo mit einer Nadel die Zunge durchstochen haben um sich so einen Piercing zu machen. Die Schmerzen und die Infektionsgefahr dabei sind, wie man sich vorstellen kann, extrem hoch; der Preis, verglichen mit einem Piercing, durchgeführt nach den Regeln der medizinischen Kunst, jedoch unschlagbar niedrig.
Außerdem habe ich letzte Woche auf dem Nachhauseweg von der Schule eine von meinen Schülerinnen gesehen, die auf der Straße Pappkartons aufgelesen hat, diese kleinriss und sie in einen großen Bollerwagen warf. An dem Tag war sie, wie sowieso auch sonst nur selten, nicht in der Schule. Als ich vorbeilief verdeckte sie ihr Gesicht mit den Händen und wand es von mir ab. Ihr war es offensichtlich peinlich, dass ich sie bei dieser Tätigkeit sah. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass sie, weil ihre Mutter wegen Mord im Gefängnis sitzt, bei ihrer Tante wohnt, die Müllsammlerin ist. Offensichtlich muss sie dabei des Öfteren mithelfen.
Miguel, unser „Master of Desaster“ aus der berüchtigten sechsten Klasse, zog neulich als er sich mal während er sich mal wieder mit den anderen Jungs in seiner Klasse schlug, einfachmal im Unterricht seinen Schlagring raus um damit Drohgebärden  in Richtung seines Gegners zu machen. Ich haben ihn natürlich sofort angefahren, dass er das Ding rausrücken soll: Waffen sind natürlich in der Schule verboten. Er allerdings steckt ihn einfach in die Tasche und sagt er hätte keinen. Das verkompliziert die ganze Angelegenheit beträchtlich. Unter kolumbianischem Gesetz ist es nämlich Kindesmissbrauch als Lehrer auch nur die Taschen eines Schülers zu durchsuchen. Das darf man nur, wenn man davor die, für solche Angelegenheiten zuständige, Kinderpolizei gerufen hat. Das wusste ich damals allerdings noch nicht, also haben wir Miguel der Schulpsychologin übergeben, die mit ihm ein höchst aufschlussreiches Gespräch führte (er weigerte sich zu sprechen). Danach ging er nach Hause. (die Sache hatte noch ein Nachspiel, als die Direktorin mitgekriegt hat, dass die Psychologin effektiv nichts gemacht hatte)

Diese Umstände sind die, die den Unterricht teilweise ziemlich schwer machen. Manche Lehrer gehen dann einfach dazu über die Schüler, die die Problem verursachen, rauszuschicken und nur mit denen Unterricht zu machen die wollen. Das führt natürlich dazu, dass der Unterricht an denen vorbeigeht, die ihn am meisten nötig hätten… Ich lasse mich von den ganzen Versuchen meinen Unterricht zu sabotieren allerdings nicht zu sehr beeindrucken und nehme sie schon gar nicht erst persönlich. Für die Lehrer die das tun ist der ganze Unterricht nämlich eine ziemliche nervliche Belastung.
Allerdings ist es auch wichtig zu wissen, dass nicht alle Schulen in Kolumbien so sind wie meine. Meine Koleginnen meinen, dass es in ganz Sogamoso und Duitama (die beiden größten Städte in der Nähe) keine Schule gibt, mit so vielen und schwerwiegenden Problemen wie meine. Auch die anderen Öffentlichen Schulen scheinen relativ gut zu sein, auch wenn fast alle Leute die es sich leisten können ihre Kinder auf Privatschulen geben.

Fahnenapell mit Gebet und den Hymnen von Kolumbien, Boyacá und Sogamoso
Außerdem sind meine Englischlehrerin und ich dabei den „English-Day“ zu organisieren. Dieser Tag wir vom kolumbianische Bildungsministerium vorgeschrieben und ist Teil dessen Planes das ganze Land bis 2020 zweisprachig zu machen (eine etwas unrealistische Zielsetzung, wenn man mich fragt, aber das sei mal dahingestellt). Dazu macht jede Klasse eine oder mehr Aktivitäten, wie z.B. ein Lied auf Englisch vortragen oder einen Tanz zu englischer Musik tanzen. Das führt dazu, dass mir „The Wind of Change“, eins von den Liedern, die wir ausgesucht haben ziemlich zum Hals heraushängt. Allerdings schlagen sich die Schüler die singen wollen erstaunlich gut, wie ich finde und somit bin ich halbwegs zuversichtlich, dass der Tag auch ein Erfolg wird.

Des Weiteren funktioniert der Gesangsunterricht, den ich seit einigen Wochen an eine blinde, ehemalige Schülerin gebe, die bald anfangen wir Musik zu studieren ganz gut. Sie muss sich noch überwinden laut zu singen, aber ich meine mit meinem Beschränkten Gehör einige Verbesserungen feststellen zu können. An dieser Stelle vielen Dank an Frau Lessle, meine ehemalige Gesangslehrerin, für die ganzen hilfreichen Tipps die sie mir gegeben hat. Zusammen mit einigen von meinen alten Gesangsetüden, die mir meine Eltern geschickt haben lässt sich, glaube ich, einiges bei dieser Schülerin bewegen.
Auch zum Thema Gesang: Da hier, so wie es schein alles eine offizielle Hymne zu haben scheint, nur meine Schule bis jetzt noch nicht, will der Musiklehrer meiner Schule will eine Schulhymne zusammenstellen und dabei das relativ gut Schulorchester (nur möglich durch eine großzügige Instrumentenspende an die Schule) verpflichten. Außerdem hat er mich gefragt ob ich die Hymne singen will. Da kann ich natürlich nicht nein sagen. Wenn die Aufnahme dann mal existiert kann ich sie vielleicht auch hier in meinen Blog stellen.


Mini-Fußball, die kolumbianische Nationalsportart, auf dem Sportplatz der Schule
Abgesehen von Schule ist doch noch etwas passiert: Ich war, zwar nicht sehr schlimm und als letzter von den AFS-Freiwilligen in Sogamoso, krank. Lediglich ein bisschen Fieber und Gliederschmerzen und auch nur zwei Tage. Ich hab die Zeit, wo ich nicht in der Schule war natürlich produktiv genutzt  und hab mir in beinahe neun Stunden alle drei Teile von „Herr der Ringe“ reingezogen (die einzigen DVDs in unserem Haus, die keine Raubkopien sind).




Jetzt ist aber auch Schluss. Lest weiter so angeregt und ich freue mich auf Feedback! 

Sonntag, 14. Oktober 2012

Urlaub im "warmen Land"


So, da wären wir auch schon wieder. Mit „wir“ meine ich meinen Gastbruder Miguel und ich und mit „da“, zu Hause, weil wir gerade von unserem etwa einwöchigen Aufenthalt in Yopal zurückgekommen sind von dem ich in diesem Eintrag berichten werde.

Da die letzte Woche Ferien waren hatte mich meine Familie schon vor längerem gefragt, ob in dieser Woche nicht mal mit ihnen nach Yopal fahren wollte um dort ihre Verwandten zu besuchen (meine Familie hat eine riesige Verwandtschaft: acht Geschwister auf der Seite meines Vaters und neun auf der meiner Mutter). Zu meiner großen Bestürzung musste ich dann vor einigen Wochen erfahren, dass die Schüler zwar Ferien haben, die Lehrer aber jeden Tag zu einer Fortbildung antanzen dürfen. Deshalb habe ich dann rechtzeitig mit meiner Direktorin abgeklärt, dass ich diese Zeit nutzen kann um das schöne Land Kolumbien zu entdecken und gleichzeitig Zeit mit meiner Familie verbringen kann, was hier ja sowieso sehr großgeschrieben wird und hab die Woche freigekriegt. Gute Beziehungen zu Vorgesetzten zahlen sich eben aus… J Allerdings stellte sich kurz vorher heraus, dass meine Eltern nicht mitkommen würden, weil sie in dieser Zeit unglücklicherweise arbeiten mussten. Folglich haben mein Gastbruder und ich dann am Dienstag, einen Tag später als geplant, weil mein Bruder sich bei irgendeiner Katze, gegen die er eine Alergie hat, ein rotes Auge geholt hat, den Bus nach Yopal. 
Dieser Bus klettert von Sogamoso erst mal fast tausend Meter den Berg hoch, bis auf über 3000 Meter aufs kalte Hochmoor von Boyaca (mein Departamento) um den Rest der Strecke wieder fast 3000 Höhenmeter nach Yopla runterzufahren, dass auf 300 Metern im Amazonasbecken gelegen ist. Dabei passiert er 3 Klimazonen: Erstens das „Paramo“, dann zweitens das gemäßigte Klima, in dem auch Sogamoso liegt und schließlich „tierra caliente“, das „warme Land“, in dem auch Yopal liegt.
Auf ca. 3.200 Metern Höhe: Das "Paramo" genannte Hochmoor
Zwei Klimazonen und 3000 Meter weiter unten: das tropische Yopal

Yopal selbst liegt genau an der Stelle, wo die Anden abrupt in das topfebene „Llano“ münden. Das ist die Ebene, die in ungefähr 300 km südwestlich von Yopal in den Amazonasregenwald übergeht.  In dieser Ebene wächst hauptsächlich Gras und wird deshalb zur Viehzucht und teilweise zum Reaisanbau benutzt.  Ich war in meinem ganzen Leben noch nie in so einem extrem flachen Gebiet. Weil es wie eben bemerkt im „tierra caliente“ liegt ist es dort ziemlich warm, während ich dort war 25° – 30°. Somit war ich zum ersten Mal in dem Teil Kolumbiens, den man allgemein vor Augen hat, wenn  man sich in Deutschland Kolumbien vorstellt, nämlich den tropischen.  Yopal ist relativ neu, war bis vor einigen Jahren hauptsächlich ein Dorf abhängig von Viehwirtschaft. Seitdem allerdings die Paramilitärs aus der Umgebung vertrieben wurden (mehr zum bewaffneten Konflikt in Kolumbien später), und man dort Öl gefunden hat ist die Stadt rapide gewachsen.
Das Llano mit den Anden in der Ferne und ewigem Grasland im Rücken




















Dort  sind wir in den Wohnungen unserer Verwandten untergekommen die alle im selben Apartmentkomplex liegen. Diese Verwandten bestehen aus zwei Tanten und einem Onkel meiner Familie und deren Kindern. Den ersten Tag verbrachten wir in der fast vertikalen, tropischen Sonne an einem Pool , wo ich mir meinen ersten richtigen Sonnenbrand einfing. Außerdem spielten wir diverse Spiele auf der Xbox 360, die meinen Gastbruder auch auf diesen Trip begleitete und dabei die Hälfte des Platzes in seiner Tasche in Anspruch nahm.  Danach traf ich mit den zwei anderen AFS- Freiwilligen, die in Yopal wohnen.  Nachdem ich mit Rebekka – einer von ihnen -  einige Erfahrungen ausgetauscht hatte nahm sie mich mit in ihre Familie, die mich zwar sehr herzlich aufnahm und bewirtete, aber gleichzeitig meinen Eindruck, dass ich es mit meiner Familie sehr gut getroffen habe verstärkte. Ich bin gleichzeitig froh, dass meine Familie weniger Wert auf Äußerlichkeiten legt, wie z. B. Maniküre, Plastikfiguren von Elfen und sonstigen Kitsch, als auch, dass sie im Vergleich zu Rebekkas weniger bemutternd und bevormundend sind. Mit ihren Eltern haben wir dann auch das WM-Qualifikationsspiel Kolumbien gegen Paraguay angeguckt, bei dem Kolumbien letztendlich 2:0 gewonnen hat. Obwohl nach meiner Ansicht die Strategie beider Teams darauf bestand,  einfach mal nach vorne zu bolzen und dann das Beste draus zu machen waren die Korsos aus Motorrollern danach enorm!!

Juan Diego mein Gastcousin mit Papagei
Pipo quiere galleta!!
Ein paar Abende, auf die ich vielleicht ein anderes Mal eingehen werde, waren wir auch mit Jonas, dem anderen Freiwilligen dort weg. Außerdem waren wir noch in einem Zoo mit verschiedenen Tieren des tropischen Kolumbiens, wie Papageien, zwei fetten Schlagen und Mini-Jaguaren in viel zu kleinen Käfigen. Während der ganzen Zeit ist der kleinste meiner Cousins, der gerade einmal 9 Jahre alt ist quasi zu meinem Fan mutiert und wollte, wie schon einige Kolumbianer(innen:) hier, unbedingt von mir Deutschunterricht haben. Es ist echt bemerkenswert, dass er viele Laute auf Deutsch viel genauer nachmachen konnte als die meisten Älteren, die damit normalerweise viel mehr Probleme haben.

Soviel zu meinen letzten Tagen, meinen ersten Ferien, und ich hoffe an dieser Stelle bald einige Bilder von meiner Schule und meinen Schülern veröffentlichen zu können. Also guckt in nächster Zeit mal wieder hier vorbei!

Dienstag, 25. September 2012

Trari Trara, der Alltag ist da


Da ich das grad eben bei Jans Blog gesehen hab, sage ich euch, dass ich gerade Loch Lomond höre (Wer auf Indie Rock steht à check it out). Das würde erklären, dass dieser Artikel vielleicht einen leicht sentimentalen Unterton hat.  :D

Da wären wir also: der Alltag ist eingekehrt. Ich gehe also jeden Morgen zur Schule, zwei Tage Woche auch mal ein bisschen früher, da die Schule da für mich um 6:15 Uhr anfängt. Meinen Schulweg habe ich seit letztem Wochenende um mehr als 50% abgekürzt indem ich das Fahrrad, das bei uns seit Jahren im Hinterhof rumgammelt und Rost ansetzt auf Vordermann gebracht habe. Das hab ich erstmal gründlich von Hundehaaren und Staub gereinigt und dann zur Generalüberholung in eine Fahrradladen gebracht (wir haben weder Luftpumpe noch Reifenflickzeug). Der Typ dort hat daraufhin eine halbe Stunde daran herumgedoktert und währenddessen beide Reifen geflickt und aufgepumpt, die Bremsen eingestellt und den Sattel und Lenker erhöht während ich mir den Kopf darüber zerbrochen habe, ob die 40 €, die ich dabei hatte überhaupt ausreichen würden.  Nach einer halben Stunde kommt er mit einem wie neu aussehenden Fahrrad aus seiner Werkstätte: Preis: 5.000 Pesos (2,15 €) :D
Außerdem war ich letzte Woche zu Besuch beim Schwimmverein Duitama, weil ich nach einer Möglichkeit suchte endlich mal wieder regelmäßig Sport zu machen. Duitama, eine mittelgroße Stadt, deswegen, weil es dort eine 50 m großes olympisches Schwimmbecken gibt, in dem man auch trainieren kann (in Sogamoso gibt es zwar eine Schwimmbecken, das allerdings geschätzte 36° Grad und die Startblöcke auf der falschen Seite hat und somit gänzlich ungeeignet zum Trainieren ist).  Nachdem mich Freunde meiner Familie, die selber Kinder in dem Schwimmverein haben, freundlicherweise dem Trainer und dieser mich dem Team vorgestellt hatten zog ich also mit ihnen einige Bahnen. Nachdem ich mich schon etwas gewundert hatte über das Programm (Ausdauer: 500 – 400 - 300 – 200 – 100 – 100 – 200 – 300 – 400 – 500) fragte ich mal einen von den Jungs nach ihrer Zeit auf 100 m Kraul: 53 s (de f**ck!!!!!!!!!!!). Ein anderer: 56 s (!!!). Damit hätte er nicht üble Chancen auf den deutschen Meisterschaften und lässt mich mit meiner Bestzeit von 1:01:16 ganz schön alt aussehen… Wenig später auch die Erklärung: Dieser Verein ist kein Verein, sondern die vom kolumbianischen Staat finanzierte Liga Boyacá, die Creme de la Creme des Schwimmsports aus meinem Departamento (Boyacá) in die nur die besten von verschiedenen Vereinen dürfen und die  Boyacá bei nationalen Wettkämpfen vertritt. Außerdem sind machen von den Leuten dort auch in der Selección Colombia also dem kolumbianischen Nationalkader. Dafür müssen sie allerdings auch 6 Tage die Woche von 5 bis 7 Uhr morgens und nach der Schule von 4 bis 7 Uhr Wasser bewegen. So ein Programm lässt nicht nur alles, was ich jemals sportlich gemacht habe alt aussehen, sondern lässt auch wenig Zeit für ein Leben.
Trotzdem wurde ich von allen dort neugierig und begeistert aufgenommen und werde mich demnächst mal mit der Chefin der Liga kurzschließen, ob ich vielleicht auch ein etwas weniger krasses Programm machen kann (ich hab erst ab November 3 Nachmittage frei, weil dann mein Spanischkurs und meine Englisch Nachhilfen, die ich an der Privatschule meines Gastbruders gebe, aufhören).
An sonsten läuft sportmäßig im Moment nicht so viel bei mir (außer einige kleine Versuche ein bisschen zu joggen und einem Tanzkurs der demnächst anfangen wird, wenn man das als Sport bezeichnen will), was mich ein wenig nervt. Nicht so sehr habe ich einen extremen Bewegungsdrang, sondern vielmehr gehört zu meinem allgemeinen Wohlbefinden einfach ein Mindestmaß an Sport ohne das ich mich irgendwie weich fühle. Außerdem das ich, glaube ich, abgenommen hab, hab ich auch ziemlich Muskeln abgebaut…:(
Wo wir bei meinem Gefühlsleben wären (mache wundern sich jetzt vielleicht, aber ja, es existiert :D). Das was ich ins Internet herausposaunen werde ist das: Kein High Life, aber auch keine Depression. Das ganz normale Glücksniveau, das sich einstellt wenn man halbwegs regelmäßig mit neuen interessanten Sachen gefüttert wird. Der Alltag ist eben komfortabel, aber immer noch Alltag. Verglichen mit anderen Freiwilligen hier lebe ich allerdings geradezu auf einem Endorphintrip…
Um diesen Alltag zu bekämpfen werden wir, meine Familie und ich, allerdings in den Schulferien im Oktober für eine Woche nach Yopal fahren und dort Familie und andere Freiwilligen besuchen (Iuhu!). Yopal ist warm und das mag ich; so einfach ist das. Außerdem hab ich gestern meinen Flug an den Amazonas für Dezember gebucht… :D

Bis demnächst, meine interessierten und fleißigen Leser.

Sonntag, 16. September 2012

Mein neues Zuhause - Teil 2


Sodass ihr, meine Leser euch ein besseres Bild von meinem Umfeld hier machen könnt werde ich noch von einigen Sachen berichten, die mir in den letzten Wochen aufgefallen sind und sich teilweise sehr von Deutschland unterscheiden.
So sind zum Beispiel die Straßen hier sehr anders aus: Der Großteil der Häuser hier sind relativ neu und relativ quaderförmig mit zwei bis drei, in der Innenstadt auch mehr Stockwerken. Bei vielen ist nur die der Straße zugewandte Seite verputzt. Außerdem beschreiben bei den meisten die Außenmauern die Grenze des Grundstücks, was zumindest in der Stadt normalerweise keinen Platz für einen Garten lässt. Üblicher ist ein Patio, ein kleiner von Mauern, oder ganzen Häusern umgebener Innenhof. Auf dem Land, oder an den Stadträndern hingegen wird von vermögenderen Leuten auch großzügiger gebaut.
Sogamoso von oben
Eine andere Kuriosität: Hunde sind hier viel häufiger als in Deutschland. Für einige Straßen trifft die Faustregel ein Haus ein Hund locker zu. Auf dem Land haben einige Familien auch gerne ein Rudel von um die fünf Hunden um ihr Haus und Hof gegen Eindringlinge zu verteidigen. Zudem  gibt es hier extrem viele streunende Hunde, die auch in Rudeln durch die Straße ziehen. Dies führt dazu, dass all diese Hunde, sowie deren Hinterlassenschaften zum alltäglichen Straßenbild gehören.



Sogamoso
Wirtschaftlich habe ich von Sogamoso bis jetzt nur so viel mitgekriegt, dass es hier zwei Zementfabriken gibt, eine davon schweizerisch, und da es hier sehr viel Terrakotta gibt einige Ziegelbrennereien im Familienbetrieb an den Hängen des Tals, die einen bestialisch stinkenden Rauch abgeben. Zudem hat Sogamoso eine Waffenfabrik; ein weiterer Akteur, der nicht daran interessier ist, dass der kolumbianischer Dauerkonflikt in absehbarer Zukunft aufhört... 
Ziegelofen
Ansonsten wurde in der Zeit, in der ich bis jetzt hier war so einiges geboten. Zum Beispiel war in Tunja, der Provinzhauptstadt, das „Festival Intercultural de la Cultura“ mit einer Parade mit vielen Bands und bunt geschmückten Tänzern und Stelzenläufern, sowie eine Präsentation von traditionell Kolumbianischen Tänzen aus allen Regionen des Landes.
Parade zum Festival International de la Cultura in Tunja
 Außerdem bin ich, wie alle Lehrer meiner Schule, 50 unserer Schüler, zahlreiche Würdenträger der Stadt und einige Soldaten und Reservisten, zu denen auch mein Vater gehört, am 6. September dem 202. Gründungstag der Stadt Sogamoso bei einer Parade mitgelaufen. Dabei wurde ich, im obligatorischen Anzug, zur Rechten meiner Rektorin platziert und noch extremer als sonst von allen Leuten angestarrt. Somit kennt mich spätestens seit da die halbe Stadt (neulich hat mich ein wildfremder Taxifahrer mit Namen gegrüßt). Allerdings waren mehr Leute in dem Umzug, als zugeguckt haben.    
Eine Lehrerin von meiner Schule hat mich, meine Gastgeschwister und einen anderen Freiwilligen (Timo)  zudem mit auf eine für Kolumbien eher ungewöhnliche Vergnügung in der Nachbarstadt (Duitama) mitgenommen. Eine Truppe aus Sankt Petersburg führte auf einer provisorischen 10x20 Meter großen Eisfläche Dornröschen in der städtischen Sporthalle als Eiskunstlaufballett auf und die halbe Stadt war da. Nach dem Prinzip der kolumbianischen Großzügigkeit wurden ich und der andere Freiwillige dazu eingeladen und uns wurde außerdem dazu eine Tüte frittierte Schweinehaut spendiert, eine kolumbianische Spezialität, an der ich jedoch herzlich wenig  Gefallen finden kann. Alles in allem also ein toller Abend; lediglich ein bisschen skurril, da Kolumbien der letzte Ort auf der Welt war, an dem ich erwartete russischen Eiskunstlauf zu sehen.
In Zukunft werde ich auch einige Exkurse über bestimmte Themen schreiben in denen ich meine Erfahrungen mit dem jeweiligen Thema zusammenfassen werde. Also: freut euch drauf!! J

Mittwoch, 12. September 2012

Meine Schule


Hier ist endlich der von euch brandheiß erwartete nächste Eintrag in meinem Blog, der endlich und endgültig mein Projekt beschreibt:
Meine Aufgabe hier besteht daraus an einer Schule, die sich Educativo Técnico San Martin de Tours nennt, Englisch zu unterrichten. Die Schule hat ca. 350 Schüler der Klassen 1-11 (in Kolumbien ist mit der 11ten Klasse die Schule vorbei) von denen ca. 110 verschiedene Behinderungen haben, alle jedoch aus den ärmsten Schichten der Bevölkerung kommen  und teilweise in extremer Armut leben und/oder schwierige Familienverhältnisse haben. So sind die Eltern von einigen meiner Schüler Trinker, im Gefängnis oder prostituieren sich. Teilweise müssen sie auch mit 3.000 Pesos (1,50 €)am Tag auskommen und kommen deshalb ohne Frühstück in die Schule; wobei das warme Mittagessen, das in dort serviert wird gut aufgenommen wird.
Die Behinderungen der Schüler bestehen zum Großteil aus Blindheit, Taubheit oder Stummheit, allerdings gibt es auch Schüler mit Down-Syndrom, Autismus und körperlichen Behinderungen. Dabei wird versucht wo es geht integriert zu unterrichten, d.h. alle zusammen, zu unterrichten. Das macht den Unterricht nicht unbedingt leichter, weil z.B. für die blinden extra Braille-Sachen besorgt werden müssen oder man z.B aufpassen muss, dass man den Autisten nicht reizt, weil er sonst schnell ungemütlich wird. Außerdem ist die Schule ist öffentlich und hat dementsprechend wenig (Lehr-)mittel. Die Fachschaft Englisch, bestehend aus einer Lehrerin und mir hat z.B. nur deshalb ein Buch zu Verfügung, weil es sich die Lehrerin selbst angeschafft hat (von Büchern für die Schüler ganz zu schweigen). Kopien, Tafelanschriebe und kleine Kärtchen an der Tafel sind deshalb ebenso vorherrschend wie langweilig.
Meine Aufgabe besteht nun darin, vormittags der Englischlehrerin beim Unterrichten der Klassen 6-11 zu helfen und selbst die Klassen 1-5 Nachmittags zu erledigen.  Das klappt auch sehr gut, weil wir uns sehr gut verstehen und ergänzen; wahrscheinlich auch deshalb, weil wir im Vergleich zur restlichen Lehrerschaft relativ jung sind (sie ist Mitte zwanzig).  Das Level von Englisch bei den Schülern ist dabei extrem niedrig: In der 8 können die meisten gerade Sätze wie „John live house blue.“ bilden; in der 11. einfache Geschichten über einen Bauern und seine Söhne nach mehrmaliger Wiederholung mit Mühe verstehen. Das liegt vor allem daran, dass die Lernmotivation häufig sehr gering ist und die Schüler außerdem grundsätzlich nichts zuhause tun (Hausaufgaben aufzugeben hat die Lehrerschaft größtenteils aufgegeben). Die Lernmotivation ist vor allem deshalb so niedrig weil so gut wie kein Schüler von der Schule Englisch jemals in seinem Leben brauchen wird. Wegen dieser traurigen Tatsache und, weil viele der Schüler nachmittags arbeiten müssen tun sie auch nichts zu Hause. Dementsprechend liegt der Fokus beim Unterrichten nicht auf der Vermittlung von Fachwissen sondern darauf die teilweise sehr schwierigen Klassen unter Kontrolle zu halten (was mir, mit meinem bescheidenem Spanisch, wie ich finde relativ gut gelingt).
Im Gegensatz dazu wurde ich aber wohl noch nie so begeistert aufgenommen: Ich kann keine 2 m über den Schulhof gehen, ohne dass irgendjemand mir die Hand schütteln will, mich Sachen über Deutschland fragt oder mit mir Fußball spielen will. Neulich musste ich schon Autogramme geben und manchmal werde ich von meinen 14-jährigen Schülern angemacht!!
Im Großen und Ganzen bin ich also mit meinem Projekt vollauf zufrieden, bin auf einen Punkt: Ich muss dienstags und mittwochs um 5:00 Uhr aufstehen, weil die Schule um 6.15 Uhr anfängt und ich an den Tagen zur ersten Unterricht hab.  
Soweit also davon. In meinen nächsten Einträgen werde ich außerdem die Personen von denen ich berichte mit ihren Funktionen, die sie für mich haben benennen (Gastschwester, Direktorin, usw…) und nicht mit ihren Namen, weil es mich bei vielen Blocks schon heftig genervt hat, dass die jeweiligen Schreiber von Marco, Angelica, usw. reden und ich als Gelegenheitsleser keine Ahnung habe wer diese Leute sind. Außerdem wird so die Privatsphäre von diesen Leuten geschützt. Wir haben es hier also mit einer „Win-Win-Situation“ zu tun. :D

Montag, 3. September 2012

Mein neues Zuhause


Nachdem wir, wie beschrieben, 4 Tage zur Eingewöhnung in Bogotá verbrachten wurden wir letztendlich  mit einem Bus zu unseren Familien gebracht. Wie schon angedeutet war das Ziel dieser Reise und mein neues Zuhause Sogamoso, eine Stadt mit 150.000 Einwohnern auf knapp 2600 m im Departmento Boyaca, ca. 150 km nordöstlich von Bogotá gelegen. Dazu wurden wir zuerst nach Tunja, die Provinzhauptstadt gebracht, wo ich von meiner Familie abgeholt wurde. Meine Familie besteht aus Miguel und Patricia, meinen Gasteltern, beide um die 50, Richter und sehr liebenswürdig, Miguel, 15, meinem Gastbruder, der noch zur Schule geht und Laura, 18, meiner Gastschwester, die mit der Schule fertig ist und gerade in Bogotá Anthropologie studiert. Alle von ihnen sind sehr liebenswürdig, interessiert und aufgeschlossen gegenüber neuem, was auch ein Grund dafür ist, dass Laura schon mit AFS, meiner Austauschorganisation, für ein Jahr in der Schweiz war und sehr gut Deutsch spricht und sowohl Miguel der Jüngere als auch Patricia einen Französischkurs machen.
Meine Familie: Miguel - Patricia - Christian - Miguel
Nachdem sie mich abgeholt hatten fuhren wir an einen See, wobei ich mich zum ersten Mal fragte wohin ich hier überhaupt gekommen bin: Die Szenerie, ein mittelgroßer See auf dem Tagestouristen aus Bogotá Paddelboot fuhren, angenehme 18 Grad, eine leichte Brise, um den See saftig grüne Hügel mit kleinen Waldflecken und Ferienhäusschen. Wenn mir jemand noch vor einem Monat diese Landschaft gezeigt hätte, hätte ich am sie am ehesten in Österreich oder Schweiz platziert, niemals jedoch in Kolumbien, das ich mit tropischen Stränden, Regenwald und evtl. noch mit Graslandschaften verband. So ähnlich könnt ihr euch auch die Landschaft um Sogamoso vorstellen.
Schwei oder Kolumbien, das ist hier die Frage!
Unser Haus ist, wie sich nach meiner Ankunft herausstellte ein mittelgroßes Reihenhaus  mit zwei Stockwerken mit einem kleinen Patio (kleiner Innenhof, der zu jedem Lateinamerikanischen Stadthaus gehört), auf der der Straße abgewandten Seite. Im zweiten Stock bewohne ich das kleine aber feine Zimmer, das Laura gehörte, als sie noch zur Schule ging. Bei meiner Ankunft wurde ich auch mit dem letzten Familienmitglied vertraut gemacht: Hermes, unser gegenüber Artgenossen etwas schreckhafter, aber gegenüber Menschen sehr zutraulicher Golden Retriever.
Kolumbianische Landschaft
Beinahe wie ein Familienmitglied ist auch Maria unsere „Empleada“ (Hausangestellte), die seit mitlerweile 12 Jahren bei meiner Familie angestellt ist (Hausangestellte sind in Kolumbien ab Mittelschicht aufwärts eher die Regel als die Ausnahme). Sie kocht für uns Frühstück und Mittagessen, hält das Haus sauber, wäscht und macht die Betten. Sie ist schon so weit Familienmitglied, dass mein Gastvater der Pate ihrer Tochter ist, obwohl noch eine gewisse Distanz merkbar ist (sie isst auf einem kleinen Tisch in der Küche während wir am Esstisch sitzen). Ich fürchte, dass so eine Rundumversorgung für mich nicht die beste Vorbereitung auf eine entbehrungsreiche Studentenzeit ist, bequem ist sie aber allemal.


Mehr zu meinen ersten Tagen meinem Umfeld und auch meinem Projekt in meinen nächsten Einträgen…

Montag, 27. August 2012

Erste Eindrücke

Endlich finde ich jetzt wieder ein bisschen Zeit gefunden meinen Blog auf den neusten Stand zu bringen. Das ist auch bitter nötig, weil in den letzten 4 Tagen Stoff für 10 Einträge passiert ist.
Nach einer kleinen aber feinen Abschiedsfete am Ensinger See und einigen anderen kleinen Abschiedszeremonien hieß es für mich am letzten Montag Koffer packen und am folgenden Dienstag den 11-stündigen Flug nach Bogotá anzutreten. Der Abschied  diesmal fiel mir leichter, als noch vor meinem Jahr in Amerika, vielleicht deshalb weil ich darin schon fast so etwas wie Routine habe, vielleicht auch deshalb, weil ich mir im Voraus weniger Gedanken darüber gemacht habe was mich in Kolumbien erwartet und was ich in Deutschland verpassen könnte. 
Also traf ich dann am Dienstag morgen die anderen Freiwilligen, die wie ich von Stuttgart aus losfliegen sollten, am Stuttgarter Flughafen. Nach einem kurzen fast tränenlosen Abschied von meinen Eltern flogen wir dann nach Frankfurt, wo wir uns mit den anderen Freiwilligen zusammentaten um von dort aus nach Bogotá zu starten. Kleine Randnotiz. Am Frankfurter Flughafen traf ich den ersten Botschafter meines Lebens, nämlich den Amerikanischen nach Bahrain, ein netter Herr mit grauen Haaren und dunklerer Haut, der von zuerst von Reagan, dann von Bush Senior in diese Position eingesetzt wurde. Der Flug selbst wurde uns dann von so tiefgründigen Filmen wie "Wrath of the Titans" und "The Avengers" auf einem 15x15 cm Display, sowie von kostenloser Cola und Cognac und durch die Gruppe an Freiwilligen versüßt. 
So wurde Kolumbien für uns langsam von einem vagen Bild in unsere Vorstellung zur Realität; zuerst angekündigt durch die lateinamerikanischen Gesichter im Flugzeug, dann durch die ersten Lichter von Bogotá  vor dem Flugzeugfenster und schließlich, nach der Ankunft, durch das Chaos auf den Straßen Bogotás, das wir von dem Bus aus bestaunen konnten, der uns zu einem Hotel direkt neben dem AFS-Büro für Kolumbien brachte. Dort verbrachten wir totmüde (7 Stunden Zeitverschiebung und 11 Stunden Flug forden ihren Tribut) die Nacht.
Viel mehr von Kolumbien bekamen wir auch am zweiten Tag nicht zu sehen, da wir unsere Zeit nur mit ein Paar AFS-Workshops zu Sicherheit und AFS-Regeln im AFS-Büro verbrachten. Der einzige, eindeutige Hinweis, darauf, dass wir uns nicht etwa in Italien oder Spanien befanden war der 2 m hohe Zaun mit Nato-Draht unter Strom darauf, der unser Hotel umgab und die unser typisch Kolumbianisches Mittagessen aus Arroz con Pollo (Reis mit Hühnchen), Kartoffelbrei und Salat und Lulo-Saft (eine Frucht, die es nur in Lateinamerika, hauptsächlich in Kolumbien und Ecuador gibt). 
So richtig begriffen wir erst am dritten Tag nach unserer Ankunft, dass wir in einem Land waren, dass sich äußerlich stark von Ländern unterscheidet, in denen wir bis jetzt gewesen sind. "Äußerlich" deshalb, weil wir bis dahin ja, Mangels Kontakt mit Kolumbianern, abgesehen von zwei kolumbianischen AFS-Freiwilligen noch keine Gelegenheit hatten unter die Motorhaube zu gucken.
Am dritten Tag nach unsere Ankunft machten wir nämlich eine Tour zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Bogotá: der Plaza Bolivar, dem Herz Bogotás und angeblich auch Kolumbiens, Casa Nariño, dem Präsidentenpalast, und dem Museo Botero, dem Hauptmuseum über Kolumbiens bekanntesten Künstler mit vielen vor seinen Gemälden und Skulpturen, die mit Vorliebe extrem dicke Menschen zeigen, und seiner Privatsammlung mit Originalbildern von Monet und Picasso.
Mir sind bei der Stadttour einige Sachen ganz besonders aufgefallen:

  • An jeder Straßenecke in Bogotá stehen Soldaten und Polizisten wahlweise mit Sturmgewehren, Plastikschilden oder Schlagstöcken manchmal auch in einer schwarzen Rüstung, die augenscheinlich nicht viel Bewegungsfreiheit ließ. Gerechtfertigt?? Vielleicht schon, wenn man bedenkt, dass erst 1985 der Justizpalast im Herzen von Bogotá von 35 Guerillios der M-19 eingenommen wurde und im Ausgang der folgenden Geiselnahme ca. 120 Personen starben...
  • An jeder Straßenecke wird von Händlern mit Bauchläden oder kleineren Geschäften irgendwas verkauft, seien es Früchte, Süßkram oder Zigaretten (umgerechnet 80 ct die Schachtel, mit Bildern von verkrüppelten Embryos darauf)
  • Die meisten Gebäude scheinen aus den 60ern und 70ern zu sein. Verständlich, wenn man weiß dass zu dieser Zeit Bogotá einen enormen Bevölkerungszuwachs hatte, der mit der teilweise der Gewalt in ländlichen Gebieten geschuldeten  Landflucht zu erklären ist.
  • Als Europäer wir man von allen Leuten auf der Straße angestarrt. Wie ich finde ebenso verständlich, da man selbst in Bogotá so gut wie keine Europäer auf der Straße sieht und wir uns äußerlich eben doch sichtbar von 99% der Kolumbianer unterscheiden. (eins von diesen blauen Avatar-Viechern würde in Deutschland auf der Straße wahrscheinlich auch angestarrt werden :D)  
Hier also einige meiner ersten Eindrücke. Über meine Gastfamilie, bei der ich mitlerweile wohne und mein Projekt, das sich schon wieder geändert hat werde ich euch in meinem nächsten Eintrag auf dem laufenden halten.

Mittwoch, 15. August 2012

Kommando zurück

Wilkommen liebe Freunde und Interessierte zum ersten Eintrag meines neugegründeten Blogs,
Wie ihr wahrscheinlich wisst werde ich das Jahr nach meinem Abi als Freiwilliger in Kolumbien verbringen. Bis jetzt habe ich allen Interessierten erzählt, dass ich ein Jahr im tropischen Cali mit 3 Mio. Einwohnern, 50 km entfernt von der kolumbianischen Pazifikküste, 26° im Jahresmittel, verbringen würde. Dabei würde ich auf einem Bauernhof, der etwas außerhalb Calis gelegen sei, mit Kindern im Grundschulalter, die auf diesem Bauernhof den Tag über betreut würden und aus einem der Slums Calis stammen, Umweltprojekte machen.
Nun, das war auch mein Kenntnisstand, zumindest bis gestern (7 Tage vor meiner Abreise am 21. Juli). An diesem Tag  wurde mir nämlich zuerst von einem AFS-Mitarbeiter aus Kolumbien über den facebook-chat erzählt, was mir später von AFS Deutschland bestätigt wurde, nämlich, dass, das Auswärtige Amt mir einen Strich durch die Rechnung macht. Und zwar hatte es den Ort meines Projektes, im Umland von Cali für nicht sicher befunden, und da mein Projekt vom Bundesfamilienministerium gefördert wird und dieses sich auf die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes verlässt (AFS-Kolumbien behauptet gegenteiliges) kann ich dort nicht hin.
Deshalb habe ich nun ein neues Projekt zugeteilt bekommen. Nach meinem jetzigen Kenntnisstand werde ich nun in Tunja (ein Ort mit 170.00 Einwohnern, 150 km nordöstlich von Bogota, 2.775 m ü. NN., 14° im Jahresmittel) in einem Kindergarten mit 0 bis 7-jährigen Kinden aus armen Familien  arbeiten. Dabei soll ich laut Projektbeschreibung bei der Essensausgabe helfen und mit den Kindern Spiele machen und ihnen evtl. auch ein bisschen Englisch beibringen.
Diese kurzfristige Planänderung ist für mich keine große Enttäuschung sondern vielmehr eine nüchterne Zurkenntnisnahme, die interessanterweise mit sich bringt, dass ich nun erfahren werde, wie es ist permanent auf Hochgebirgsniveau zu leben und mich zwingt mich auf gefühlte 30° weniger einzustellen. Zudem wird sie mir dadurch versüßt, dass ich nun erste Informationen über meine Gastfamilie habe.
Doch davon mehr im nächsten Eintrag. ich freue mich, falls ihr hin und wieder vorbeiguckt. Dabei könnt ihr hier auch gerne Kommentare hinterlassen und mir sagen wie ihr meinen Blog findet (geschwollen, langweilig, brechreizerregend, etc. :D) oder zu bestimmten Sachen nachhaken.