Sonntag, 10. März 2013

Exkurs: kolumbianische Küche


Dieser weitere Exkurs wird sich um kolumbianische Küche drehen. Gänzlich verschieden von der Deutschen hat sie einiges zu bieten, das dem mitteleuropäischen Gaumen eher gewöhnungsbedürftig erscheint. Da Kolumbien ein riesiges und kulturell sehr diverses Land ist gibt es natürlich auch einige regionale Unterschiede (z. B. Meerschweinchen im Süden) was das Essen angeht. Ich werde also probieren mich eher auf das zu beschränken, was relativ im ganzen Land vertreten ist.

Arroz con Pollo (Reis mit Hühnchen). Dieses genauso einfache wie billige Gericht würde ich als das kolumbianische Essen schlecht hin bezeichnen. Auch wenn man in Europa Reis eher mit Asien in Verbindung bringt ist es hier das Grundnahrungsmittel Nummer eins (neben Papa (Kartoffeln) und Mais).

Rellena (Kuhdarm, gefüllt mit einer Paste aus Kuheingeweiden und Reis). Wird gerne als mit Fleisch oder auch als kleine Zwischenmahlzeit serviert und mit den Händen gegessen.

Empanada (Teigtaschen, gefüllt mit Reis und Eiern und/oder Fleisch). Wird ebenso wie die Rellena als kleine Zwischenmahlzeit, gerne auch als Once (Vormittagssnack) gegessen. Diese beiden isst mal mit einer scharfen Soße aus Chili, Dill und Zwiebeln, genannt Ahi, die mal in jedem Restaurant in einem kleinen Töpfchen auf dem Tisch findet.

Diverse Suppen wie z. B. Mondongo. Werden als Vorspeise zu eigentlich allen Gerichten serviert. Enthalten auch gerne mal etwas merkwürdige Zutaten, wie Hühnerfüße oder kleingehacktes Kuheuter oder –dickdarm.

Asado (Fleisch vom Grill). Als Familienevent am Samstag fährt man gerne zu sogenannten Asaderos außerhalb der Stadt. Dort brennt schon den ganzen Tag ein riesiges Feuer und auf langen Metallspießen, die im Kreis um das Feuer angeordnet sind, brutzeln Schweine- und Rinderteile. Auf Nachfrage werden einem dann einige Stücke abgeschnitten.

Platano (Kochbanane). Mein Favorit der kolumbianischen Küche. Eine große Banane, die nicht roh gegessen werden kann, sondern gekocht oder frittiert werden muss. Ein bis zwei Scheiben werden gerne zu praktisch allen Gerichten als Beilage gereicht.

Früchte. In Kolumbien gibt es extrem viele Früchte. Ich habe hier mehr Früchte kennen gelernt, als ich vorher in Deutschland kannte. Darunter Guanabana, Guayaba, Zapote, Anón Platano, Granadilla, Lulo, Feijoa, Mangostino… Dabei kann man objektiv sagen, dass alle Früchte hier saftiger und aromatischer, schlicht besser sind als in Deutschland mit lediglich zwei Ausnahmen: Äpfel und Erdbeeren. Äpfel nämlich, so hab ich mir sagen lassen, brauchen Jahreszeiten um zu wachsen um sich im Winter erholen zu können. In Ermangelung dessen wachsen hier zwar die Bäume, tragen aber keine Früchte. Die Äpfel die man hier kaufen kann sind also alle aus Chile importiert und nicht besonders lecker. Aus allen diesen Früchten macht man oft und gerne nach einer ganz simplen Methode Saft: in den Mixer damit, einmal durch ein Sieb und fertig.  Wegen dieser enormen Vielfalt an Früchten kann man wohl mindestens drei Wochen durch Kolumbien reisen ohne zwei Tage den gleichen Saft probiert zu haben. Auch mit einem deutschen Vorurteil muss ich an dieser Stelle aufräumen, nämlich, das „natürlich“, sprich ohne Zucker, immer besser schmeckt. Einige Säfte schmecken ohne eine gehörige Portion Zucker nämlich ziemlich bitter und langweilig, darunter Maracuja und Lulo. Für mich als Wassermelonenfan ist es auch super hier im Produktionsland zu leben, wo ich mir gerne eine große von ca. 15 kg für 8.000 Pesos (ca. 3,50 €) kaufe.
Kolumbianische Früchte - (r.o.) Lulo, (r.u.) Mangostino, (m.o.) Curuba, (m.u.) Granadilla, (l.o.) Carambola, (l.m.) Mamoncillo, (l.u.) Uchuva

 

Allgemein kann man zu kolumbianischem Essen bemerken, dass erstens jedes typische Gericht aus mindestens zwei Portionen Kohlenhydraten besteht (z. B. Reis und Kartoffel, Yuca und Reis, Mais und Kartoffel) und zweitens mindesten eine Portion Fleisch dabei hat. Das kann ein simples Rindersteak (oder auch Zunge)sein, ganz klassisch ein Stückchen Hühnchen oder hier bei uns in Boyaca eine Forelle aus dem Lago de Tota (ein See in der Nähe). Zudem essen Kolumbianer generell relativ viel. In Restaurants sind die Portionen generell ziemlich groß und bestehen aus mehreren Gängen. Einige Mitfreiwilligen hier klagen auch, dass sie von ihren Familien regelrecht gemästet werden. Die meinige tanzt da allerdings ein bisschen aus der Reihe.

Ein weiterer großer Unterschied zu Deutschland ist wohl, dass in Kolumbien praktisch alles mit allem mischbar ist. So schmeißt man sich gerne Käsestückchen in den heißen Kakao, isst Käse mit einer süßen Fruchtcreme oder Früchte als Apparativ vor dem Hauptgang .


Mich überkommen die einzigen wirklichen Stiche Heimwehs, wenn ich an Deutsches Essen denke. Beispielsweise sind meiner Meinung nach deutscher Käse (Berg-, Hütten-, Ziegen- oder Schafskäse) dem kolumbianischen Einheitskäse eindeutig überlegen. Dasselbe trifft auch auf Wurst, Bier und selbstverständlich Brot zu. Weder die Vielfalt noch die Qualität dieser Produkte wird von ihren kolumbianischen Counterparts auch nur annähernd erreicht. Die Kilos an billiger und leckerer Wassermelone, die ich täglich zu mir nehme können mich darüber nur bedingt hinweg trösten…

Dieses Wochenende jedoch habe ich meiner Familie und mir eine ganz besondere Spezialität gegönnt. Nämlich habe ich mit den Spätzle aus meinem Weihnachtspaket, Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen gemacht. Den im Rezept vorgesehenen Schinkenspeck konnte ich jedoch leider in keinem der fünf Supermärkte in Sogamoso auftreiben. Die Saitenwürstchen musste ich ebenfalls  durch die kolumbianische Salchicha ersetzen, aber ich glaube das Resultat konnte sich trotzdem sehen lassen. Trotz diesem Urschwäbischen Gericht wollte meine Familie nicht auf Papaya als Vorspeise und Lulosaft verzichten. So wurde es mehr oder weniger ein Hybrid aus deutscher und kolumbianischer Kochkunst und hat als Vereinigung von dem Besten von beiden sehr lecker geschmeckt.

 
Spätzle mit Linse und Saitenwürschtle, Salat, Papaya und Lulosaft

Bis bald also mit neuen Eindrücken und Erlebnissen aus diesem fernen und exotischen Land wo die Kolumbianer hausen. :D

Samstag, 23. Februar 2013

Exkurs: kolumbianische Mentalität

Nachdem ich jetzt vom Midstay Camp von AFS zurückgekommen bin, einem Camp, das alle Freiwilligen im Ausland mitmachen müssen, und in letzter Zeit sonst keine spektakulären Ereinisse passiert sind werde ich jetzt den ersten Exkurs in ein Feld der kolumbianischen Kultur schreiben. Das hatte ich mir schon seit langem vorgenommen und bitte sehr: hier kommt der Erste.
Ich werde mich hier auf einige Punkte der kolumbianischen Mentalität konzentrieren, die sich von der Deutschen unterscheiden, doch zwei Sachen vorweg:
Diese Liste besteht lediglich aus meinen Erfahrungen und denen von anderen Deutschen mit denen ich mich ausgetauscht habe. Somit beanspruche ich NICHT, dass diese Liste der Weisheit letzter Schluss oder vollständig ist. Ich kann mich irren und habe Kolumbien schließlich erst ein halbes Jahr erlebt!
Außerdem ist es logisch, dass wenn ich über allgemeine Tendenzen der kolumbianischen Mentalität schreibe ist das nur einen Tendenz und nicht mehr. Das heißt, dass es viele Kolumbianer gibt, die nicht so sind, die ich sehr häufig treffe; nur eben nicht so häufig wie diejenigen, die die Tendenz bestätigen.

1.       Kolumbianer denken in der Regel mehr über die Gegenwart, wohingegen Deutschen sich mehr Gedanken über die Zukunft machen. Das führt einerseits dazu, dass der Kolumbianer unbeschwerter die Gegenwart genießen kann, Aktivitäten eher spontan festgelegt werden und Kolumbianer wohl eine größere „Grundzufriedenheit“ haben als Deutsche. Deutsche würden so eine Haltung, in einem ersten Reflex, wohl als Ignoranz gegenüber der Zukunft beschreiben, die früher oder später zum Scheitern verurteilt sei: „Wie kann ich denn wissen, ob es mir immer so gut gehen wird? Schließlich baut der kluge Mann vor und der frühe Vogel fängt den Wurm.“. Der Kolumbianer hingegen würde dagegenhalten: „Warum soll ich mir jetzt Sorgen machen über eventuelle Probleme in der Zukunft, wenn ich sie vielleicht eh nicht beeinflussen kann. Besser ist es doch sich über das zu freuen was man hat.“
Somit ist es für mich nicht verwunderlich, dass nach einer repräsentativen,  aktuellen „Gallup“-Umfrage von Dez. 2012, in der in 143 Ländern nach positiven Emotionen und Wohlbefinden gefragt wurde, Kolumbien auf Platz 12 landet, Deutschland hingegen nur auf Platz 50. Dabei muss man bedenken, dass in großen Teilen Kolumbiens seit 49 Jahren Krieg herrscht und ein Drittel der Bevölkerung in Armut lebt und Deutschland der Fels in der Brandung der europäischen Schulden- und Wirtschaftskriese ist.
Eng mit damit verbunden ist, meiner Meinung nach, die deutsche Tendenz aus Unzufriedenheit mit dem was man hat immer nach mehr zu streben; mehr Wohlstand, mehr Wissen, mehr Fortschritt. Wer Goethes Faust gelesen hat wird wissen von was ich rede. Dieses Denken ist den meisten Kolumbianern gänzlich fremd. Somit ist der Handel der kolumbianischen Mentalität ungefähr: mehr Zufriedenheit und Entspanntheit und weniger Fortschritt und Effektivität. Der Deutsche wäre gewissermaßen das Gegenteil.

2.       Eine Sache, die einem Deutschen sofort auffällt ist die Herzlichkeit der Leute. Fremden wird hier in der Regel keinesfalls mit skeptischer Unsicherheit begegnet, wie das in Deutschland vielleicht der Fall wäre, sondern eher mit neugierigem Interesse. So ist es praktisch überall super einfach mit Leuten ins Gespräch zu kommen und anders als z. B. in Amerika ist der Spruch  „Mi casa es tu casa“ („Mein Haus ist dein Haus.“) wirklich wörtlich zu nehmen. Leider beschränkt sich diese Zuneigung leider allzu häufig lediglich auf Menschen im unmittelbaren Umfeld des Kolumbianers, sprich Freunde, Familie und Bekannte. Dass sich wie in Deutschland Millionen für eine Katstrophe auf einem anderen Erdteil, wie für den Tsumani 2004 im Indischen Ozean, sammeln ließen halte ich eher für unwahrscheinlich.

3.       Stichwort Familie! Die Familie ist für den typischen Kolumbianer das ein und alles. Hier spielt sich ein großer Teil des Soziallebens ab und es ist für junge Leute absolut nicht ungewöhnlich bis zu ihrem 30sten Lebensjahr bei Mama und Papa zu leben. So ist es nicht verwunderlich, das dir ein echter Kolumbianer sehr wahrscheinlich an die Gurgel springt wenn du seine Mutter beleidigst. Selbst meine beiden Gasteltern, beide gestandene Richter, fahren jedes Wochenende zu ihren Eltern um mit ihnen im Schnitt um die 4 Stunden zu reden. Dort sind sie nicht allein, sondern es versammelt sich ein großer Teil der Familie, der es eben einrichten konnte zu kommen. Ein weiterer Nebeneffekte dieser Fokussierung auf die Familie sind, einerseits der ausgeprägte Nepotismus in kolumbianischen Institutionen und Firmen sowie die für deutsche Maßstäbe extreme Beschützung vieler Töchter durch ihren Papa.

4.       Eine anderer wichtiger Punkt ist, dass Kolumbianer ihre Emotionen viel eher nach außen tragen, so mein Eindruck. Eine schöne Geschichte dazu: Als einmal das kolumbianische Nationalteam in der WM-Qualifikation gespielt hatte, war ich mit einem Freund auf einem Hügel, von dem man die ganze Stadt überblicken kann, um den Hund auszuführen. Wir waren am Reden als plötzlich die ganze Stadt wie aus einer Kehle „GOOOOOOL!!!“ schrie. Offensichtlich hatte Kolumbien ein Tor geschossen J.Allerdings äußert sich diese Emotionalität auch im Negativen, wenn einem nachts in einer Bar von einer Schlägerei am Nachbartisch plötzlich die Bierflaschen um die Ohren fliegen… Dieser kultureller Unterschied ist für mich, als nicht sehr emotionale Person, wohl einer der schwierigsten, aber ich versuche mein Bestes. Außerdem ist anzumerken, dass diese Emotionen und Irrationalität nicht von vorneherein schlecht sind. Es kommt, meiner Meinung nach, eben auf die Situation an: Wer anfängt über Evolution, Politik oder Wirtschaft zu fühlen hat genauso verloren wir der, der mit logischen Gründen einer Frau seine Liebe erklärt.

5.       Eine vielleicht weniger tief gehende Sache, die einem schnell auffällt sind Vorurteile, die in der kolumbianischen Gesellschaft noch viel mehr verankert sind als in der deutschen. Trotz der krassen kuturellen Diversität hört man überall abfällige Kommentare über „negritos“ („Negerlein“), „indios“ (abfällige Bezeichnung für Indigene) oder „maricas/mariposas“ („Schwuchteln“). So sieht man sogar im Fernsehen „Komiker“ die sich schwarz anmalen und dann in ihrer Show immer diejenigen sind die dümmliche und naive Kommentare abgeben. Eng verbunden mit der ausgeprägten Homophobie ist auch das Bild vom „richtigen“ Mann. Dieser hat am besten in jeder Stadt in der Gegend eine Freundin, gibt sich keine Blöße und verteidigt seine Ehre kämpfend.

6.       Je nach Quelle sind 82% - 90% der Kolumbianer katholisch. Weit nicht alle gehen jeden Sonntag in die Kirche, aber nichtsdestotrotz hat die Kirche im Gegensatz zu Deutschland noch einen erheblichen Einfluss in der Tagespolitik und in der Gesellschaft insgesamt. Das kommt z. B. dann zum Ausdruck, wenn am Aschermittwoch sich fast die ganze Stadt, von der Verkäuferin und Lehrerin bis zum Polizisten und Bettler, ihr Aschekreuz auf die Stirn malen lässt. Allerdings leben wohl die wenigsten Leute nach den Vorgaben der Kirche und haben somit eine gewisse Doppelmoral.

      Diese sechs Punkte sind für mich bis jetzt so die wichtigsten um die kolumbianische Mentalität grob zum umreißen. Allerdings muss gesagt werden, dass insbesondere Punkte wie Vorurteile oder die Religiosität stark von Region zu Region und zwischen den sozialen Schichten variieren und man somit nur schwer von „einer“ kolumbianischen Mentalität sprechen kann.
      In nächster Zeit werde ich einige solcher Exkurse schreiben, allerdings wahrscheinlich zu weniger komplizierten und weniger tiefgründigeren  Themen als der Mentalität. Mir jedoch gefällt es am meisten diese zu entdecken, viel mehr jedenfalls als mich auf kolumbianisches Essen oder Vögel zu konzentrieren. Also bis bald mit anderen Themen.




Mittwoch, 9. Januar 2013

Weihnachten in Perú

Dieser Eintrag handelt, wie die Überschrift verrät, von meiner Reise nach Perú, die ich in den letzten Wochen unternommen habe. Die Entscheidung meiner Familie nach Peru zu fahren war relativ spontan, da der Streik der Richter das Gehalt meiner Gasteltern verzögert hat und sie deshalb nicht wussten ob die Reise möglich wäre. Somit habe ich erst, als ich vom Amazonas (letzter Eintrag) zurückgekommen bin davon erfahren und saß einige Tage später auch schon im Flugzeug. Ersten wollte ich Weihnachten nämlich nicht allein zuhause verbringen, aber vor allem konnte ich mir die einmalige Gelegenheit Peru kennen zu lernen natürlich nicht entgehen lassen. Von dieser Reise will ich die wichtigsten Stationen schildern.

Am 17. Dezember flogen wir also von Bogotá nach Lima. Der erste Tag in Lima war vor allem deshalb interessant, weil wir auf den  Cerro San Critóbal hochgefahren sind; ein spitzer Hügel mit einem Kreuz drauf, der von allen Seiten von Lima umgeben ist. Da Lima an der Peruanischen Küste liegt, die an diesem Ort eigentlich Wüste ist hat Lima ungefähr drei Regentage im Jahr. Das heißt, dass in der ganzen Stadt nichts wächst außer es wird permanent bewässert. Das hat zur Folge, dass der Cerro San Cristóbal, wie auch die anderen Hügel Limas aussehen wie der Schicksalsberg, ohne Vegetation, nicht einmal die kleinste Flechte, und ziemlich dreckig und staubig sind, weil es ja keinen Regen gibt, der die Stadt mal säubern würde. Von dem Hügel kann man also in alle Richtungen gucken und sieht nur Lima, Lima, Lima bis zum Horizont, den man wegen dem permanenten Smog nicht genau erkennen kann. Das Ganze wirkt wie ein Meer aus Häusern, hauptsächlich Slums, das die Hügel der Stadt hinaufklettert und teilweise überspült. Durchzogen ist dieses Meer von Autobahnen auf denen sich die Autos wie kleine Punkte voranschieben. Ich muss sagen, dass ich selten so etwas Krasses gesehen hab; so viele Menschen auf einem Haufen (Lima hat fast 8 Mio. Einwohner, fast 30% der Bevölkerung Perus, und man kann die Häuser von fast allen von diesem Hügel sehen); die Versorgung von allen mit Essen, Energie und Wasser; die Gewissheit, dass Lima im Weltweiten Vergleich nur auf Platz 32 der größten Städte der Welt liegt: alles ziemlich schwindelerregend.
Eine andere etwas unerfreuliche Geschichte ist, dass in Lima aus dem abgeschlossenen Zimmer unserer Herberge meine Kamera, mein Ipod, peruanisches und kolumbisches Geld und meine Ladegeräte geklaut worden sind, während wir am zweiten Tag nach unserer Ankunft beim Frühstück saßen. Da außer uns lediglich zwei andere Pärchen zur fraglichen Zeit der Herberge waren, eins davon ein älteres Ehepaar, das regelmäßig in der Herberge absteigt, das andere ein junges Pärchen, das überstürzt abgereist ist wärend wir beim Frühstück waren stehen die Diebe eigentlich fest (Hotelpersonal kommt nicht in Frage, das  zu der Zeit lediglich aus der bestürtzten Herbergsmutter bestand). Außerdem hat dieses Pärchen falsche Informationen in das Buch der Herberge eingetragen, wie wir bei der Polizei mit den Kopien ihrer Personalausweise, die sie hinterlegt hatten, herrausgefunden haben (angegeben hatten sie eine Stadt im Norden Perus, in Wirklichkeit kommen sie aus einem Slum von Lima). Allerdings habe ich wenig Hoffnung, meine Sachen jemals wieder zu sehen, da mir die Polizei bei der Erstattung der Anzeige erzählt hat, dass sich in solchen Fällen einer von zehn auflöst…  In Kolumbien, so versicherte mir meine Gastfamilie wäre die Polizei mehr auf Zack. Dieser Vorfall ist auch der Grund, dass es in diesem Eintrag leider keine selbstgemachten Bilder von mir geben wird.

Nach Lima fuhren wir mit dem Bus weiter in den Süden Perus, genauer gesagt nach Ica, eine Stadt, die wie Lima in der Küstenwüste liegt. Dort hieß das Programm Weinprobe, der ganzen Weine und Schnäpse, die dort an der Küste angebaut werden. Meine nicht besonders trinkfeste Familie war relativ schnell relativ angeheitert und damit in Kauflaune, womit die Strategie der Verkäufer perfekt aufging… Außerdem machten wir dort eine Tour mit von der Oase Huacachina aus mit dem Sandbuggy in die Dünen der Wüste. Dort konnte man auf einem Brett von bis zu 300m hohen Dünen rutschen. Das ganze macht verdammt Spaß; vor allem vor einem Panorama, das man eher in Saudi Arabien erwarten würde.

Die Oase Huacachina, wo wir zum Sandboarden waren (Bild aus dem Internet)
Danach gings wieder mit dem Bus weiter in den Süden, nach Arequipa, wo das Highlight der Besuch des nahegelegenen Colca-Canyons war. Für die Tour in diesen Canyon wurden wir um 3 Uhr nachts von unserem Hostal abgeholt und erstmal auf einen Pass von 4.910 m Höhe gebracht. Dort konnten wir nicht nur den Sonnenaufgang sondern auch einige 6.000er Gipfel in der Umgebung sehen. Diese Höhe machte sich bei mir dadurch bemerkbar, dass ich ein bisschen mich ein bisschen verlangsamt fühlte und meine morgendlichen 50 Liegestützen nicht mehr ganz schaffte, bei meinen Gasteltern jedoch durch Schwindelanfälle und Erbrechen. Das einzige was da hilft, so mein Gastvater ist Kokablätterkauen. Koka, die Heilige Pflanze der Inkas und sonstiger präspanischer Kulturen beseitigt nämlich Müdigkeit und  Übelkeit sowie Höhenkrankheit. Und für alle die das glauben: Koka und Kokain sind zwei verschieden Sachen; Kokain erhält man indem man die Blätter der Kokapflanze durch einige chemische Bäder gibt und so die Droge hochkonzentriert isoliert.
Nach der Höhe gings dann ins tiefe Tal (3.600 m haha…) um dort Kondore zu beobachten. Kondore, die emblematischen Andentiere schlecht hin bekamen wir allerdings leider nicht zu Gesicht. Der Canyon alleine war allerdings schon spektakulär genug. Von unseren Führern als der tiefste Canyon der Welt angepriesen (mit 4.100 m mehr als doppelt so tief wie der Grand Canyon in US and A) kommt man sich in dieser Schlucht schon sehr klein vor wenn man 2.000 m nach unten und 2.000 nach oben gucken kann… Dort, wie auch in allen anderen wichtigen Touristenattraktionen Perus, trifft man mitten in der Pampa Verkäufer, die einem alles vom Alpacapullover bis zum Kokabonbon andrehen wollen.

Unsere nächste Station war Cusco dorthin wollten wir in der Nacht vom 23. auf den 24. hinfahren uns an Heilig Abend die Stadt angucken und abends Weihnachten feiern. Allerdings hatte unser Bus mitten in der Nachtauf offener Straße leider eine Motorpanne, bei der irgendeine Pumpe keinen Treibstoff mehr angesaugt hatte. Nach vergeblichen Reparaturversuchen des Fahrers gab dieser auf und erklärte den Bus für kaputt. Zuerst meine er uns würde ein anderer Bus der Busfirma abholen, wie uns auf unserem Ticket zugesichert war. Nachdem er jedoch mit seinem Vorgesetzen telefoniert hatte meinte er, dass doch kein Bus vorbei kommt, weil wir ja eh nur 15 Leute im Bus seien und wir doch per Anhalter ins nächste Dorf fahren sollten um uns dort die Weiterfahrt nach Cusco zu kaufen. Nach einigem Lamentieren und Verfluchen haben wir das dann auch gemacht, mit dem Ende vom Lied, das wir um halb sieben in Cusco ankamen, 10 Stunden später als geplant (wir haben später in Lima Anzeige gegen die Busfirma erstattet, weil sie und das Geld nicht zurückgeben wollten). Was macht man also Heilig Abend abends in Cusco? Dreckige Wäsche waschen lassen und die weitere Reise planen meinte meine Familie. Dass das nicht meiner Vorstellung von Weihnachten entsprach liegt, auf der Hand. Als sie sich schlussendlich ein Restaurant suchen wollten war es schon so spät, dass alles zu hatte außer ein Pub in dem sich ausschließlich Touristen befanden, der uns noch ein Sandwich verkaufte. Für 6€ habe ich mir dort dann noch ein Erdinger aus dem passenden Glas genehmigt (Scheiß drauf, ist Weihnachten…)
Ein Lichtblick war jedoch der nächste Tag, an dem ich mich mit einem Ehemaligen Klassenkameraden vom FAG, Julian Zündorf (Zündi), traf, der ebenfalls einen Freiwilligendienst ableistet, nur eben in Cusco. Meine Familie hetzte währenddessen weiter um sich andere Attraktionen anzugucken. Mit ihm konnte ich dann fast den ganzen Tag Erfahrungen und Erinnerungen austauschen und er lud mich auf Weihnachtsbraten in seine WG ein. Er und seine Wohngenossen hatten sich nämlich vor Weihnachten ein lebendes Ferkel gekauft und, mit großem Erfolg, fast in Eigenregie daraus einen Weihnachtsbraten gezaubert. Abends musste ich jedoch schon wieder weiter um mich mit meiner Familie in Aguas Calientes zu treffen, einem Ort 3 h von Cusco, dem Tor zu Machu Picchu.

Machu Picchu, die spektakulärste Inkaruine und wahrscheinlich die größte Geldmaschiene Perus! Für mich waren die Ruinen dort nicht weniger fantastisch als die Touristenabzocke, die dort stattfindet. Doch das Schöne zuerst: Als wir mit unserer Gruppe Machu Picchu betraten, das echt toll auf einem etwas niedrigeren Kamm zwischen höheren von Regenwald bewachsenen Berggipfeln liegt, war noch fast die ganze Stadt von Nebel bedeckt. Dieser lichtete sich erst langsam um einen ziemlich beeindruckenden Blick auf die ganze Stadt freizugeben. Unser Führer berichtete uns in der Tour sehr anschaulich über Alltag der ehemaligen Bewohner, Bedeutung der Stadt, Mythologie, usw… Sehr interessant das alles. Weniger erfreulich, die Preise dort: $ 76 Eintritt zu Machu Picchu, $ 17 halbstündige Busfahrt dorthin, überhöhte Preise Agauas Calientes, einem Dorf, das einzig für Touristen existiert, erfundene Steuern in Restaurants (der blöden Kellnerin hab ich meinen Standpunkt glaub ich eindrücklich klargemacht.. :D), ect…
Machu Picchu mit Lama, für alle, die noch nicht wissen wir das aussieht (Bild aus dem Internet)

Der nächste Programmpunkt war für uns der Titikakasee an der Grenze zu Bolivien. Wir sind also nach einer weiteren Buspanne, die zum Glück schnell geregelt wurde mit einem Busfahrer, der wie der letzte Mafioso redete („To your left, ma friends, you can see the famous church of Juliaca, eehh!?“), in Puno angekommen. Von Puno, der größten peruanischen Stadt am Titikaksee machten wir eine Bootstour über den See. Erster Halt: die traditionellen, schwimmenden Inseln. Deshalb so genannt, weil sie eigentlich nur aus zusammengebundenen Bündeln aus Seegras bestehen. Leider waren die Bewohner, dieser Inseln genauso auf den Tourismuszirkus und aus Geldmachen getrimmt wie viele andere Leute, die wir auf unsere Reise trafen. Zweiter Halt: die echte Insel Taquile mitten im See. Die gesamte Insel sah für mich total mediterran aus und angeblich ist die Strickkunst ihrer Bewohner UNESCO-geschützt. Von dem höchsten Punkt der Insel konnte man, wegen der klaren Luft mit über 100 km Sichtweite, fast den ganzen See überblicken. Das war bei strahlendem Sonnenschein schon ziemlich spektakulär.

Blick über den Titikakasee von der Insel Taquile (Bild aus dem Internet)
Nach dem See gings für uns wieder zurück nach Lima, wo wir mangels Antrieb einige extrem unproduktive Tage verbrachten. Darunter auch den 31. An diesem Tag mussten wir natürlich, nach kolumbianischem und peruanischem Brauch, um 12 Uhr nachts 12 Trauben essen, für jeden Monat eine. Das bringt angeblich Glück. Dabei konnten wir von der Uferpromenade Limas das Feuerwerk dieser Millionenstadt beobachten, um danach noch bis spät in die Nacht mit den anderen Leuten unsere Herberge Salsa zu tanzen. Am 3. Januar war dann auch schon der Rückflug nach Bogotá angesagt.

Insgesamt hab ich wohl auf diesem Ausflug mehr über Inkakultur gelernt als mir jemals lieb war und weniger über Peruaner als mir lieb gewesen wäre. Trotzdem war es sehr interessant mal ein anderes lateinamerikanisches Land zu besuchen um einen Vergleich zu Kolumbien zu haben (Kolumbien ist mir um einiges lieber als Peru).

Bis bald mit neuen Berichten, Eindrücken, usw… , meine fleißigen Leser.

PS: Das mit den 50 Liegestützen war gelogen.



Montag, 10. Dezember 2012

Amazonas


Nach viel zu langer Zeit melde ich mich jetzt wieder mit einem Eintrag über die letzte Woche zurück. In dieser Woche waren meine Gastschwester und ich mit einer Gruppe von AFS-Freiwilligen und Schülern am Amazonas. Die Ereignisse dieser ereignisreiche Woche möchte euch hier erzählen.

Tag 1:
Obwohl die Tour offiziell erst einen Tag später anfing hatten wir (meine Gastschwester und ich uns dazu entschieden einen Tag früher zu fliegen, weil die Flüge an diesem Tag erheblich billiger waren. Wir machten uns also am Sonntagmorgen um 8 Uhr von Sogamoso mit dem Bus nach Bogotá auf, mussten zum Check-in rennen, weil uns nur noch wenig Zeit blieb. Im letzten Moment fanden wir heraus, dass die Weinflasche, die wir für einen entfernten Verwandten in Leticia mitgenommen hatten, damit er uns in seinem Haus schlafen ließe, in meinem Rucksack Leck geschlagen hatte. Somit mussten wir diese leider in den 5 Minuten vor der Passage der Sicherheitskontrollen vernichten…
Leticia ist die mit um die 30.000 Einwohnern die größte Stadt am kolumbianischen Amazonas und grenzt direkt an Brasilien, wo sie direkt Tabetinga anschließt. Leticia kann nur über den Flughafen oder über den Amazonas erreicht werde, was Autos dort nur bedingt nützlich macht. Deshalb sieht man dort fast nur kleine Motorroller. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Amazonas liegt Peru, das wir auch besuchen sollten. Wir haben es dabei also mit einem Dreiländereck zu tun.
Nachdem wir uns im Flugzeug schon mit einigen andern von unserer Gruppe getroffen hatten, die auch einen Tag früher flogen und nachdem wir nach 2 h Flug in Leticia angekommen waren, nahm uns am Flughafen unserer entfernter Verwandter in Empfang, ein Zahnarzt, der schon seit 30 Jahren in Leticia lebt. Er führ mit uns nach Brasilien und lieferte uns dann bei einem  Hotel ab, seiner Meinung nach eine großartige Möglichkeit die Nacht zu verbringen. Weil keiner von uns beiden so dreist war sich einfach selbst bei ihm einzuladen gingen wir letztendlich in das Hotel, das für den Preis echt anständig war. Abends trafen wir uns noch mit den anderen von unserer Gruppe zum Abendessen und tauschten danach noch die Erfahrungen aus, die wir bis jetzt in unseren Projekten und Gastfamilien gesammelt hatten. Dabei war meiner Meinung nach spürbar, dass im Moment tendenziell eher die Zeit ist, in der sich bei den Meisten eine kleine Depression in ihrer Stimmungskurve einstellt.

Tag 2:
Wenig neues passierte am zweiten Tag, außer, dass wir in ein anderes Hotel umquartiert wurden, das im Reisepreis inbegriffen war, die Restlichen Teilhemer kamen und wir von unseren Reiseführern im Bus noch einmal nach Brasilien gekarrt wurden.

Tag 3:
Eine unserer Lanchas mit der wir uns auf dem Amazonas fortbewegten
Endlich gings los. Früh morgens schifften wir uns auf so genannten  „Lachas“ , kleinen schnellen Motorbooten mit ca. 20 Sitzplätzen, in Richtung Puerto Nariño, eine kleine Ansiedlung von 8.000 Leuten ein Stückchen flussaufwärts. Auf dem Weg dorthin wurden wir zu einer „Comunidad indigena“ (Indigenendorf) gebracht. Wir sollten uns alle auf Sitze aus Baumstämmen setzten, die in einer riesigen Hütte im Kreis für uns aufgestellt waren. Dann Führten, wo die Ankündigung des Tourleiters die Omas des Dorfes mit jüngeren Mädchen, einen Willkommenstanz auf, der hauptsächlich daraus bestand vor und zurück zu laufen, wobei eine Oma mit Trommel den Takt vorgab und dazu sang. Allmählich wurden auch wir zu Mitmachen animiert und nach einer Weile war die ganze Gruppe am Tanzen. Danach wurde uns vorgeführt wie man aus einem giftigen Baum, den man im Regenwald finden kann einen Stoff gewinnt, indem man ihm die Rinde in einzelnen Schichten abzieht und dann breitschlägt. Anschließend wurde jedem von uns ein Kind des Dorfes zugeteilt, mit dem wir eine Bild auf besagtem Stoff malen sollten, mit Farben, die man aus allerlei Urwaldpflanzen gewonnen hatte. Zum Schluss wurden wir alle durften wir die Stände mit „Artesania“ begucken - Kunsthandwerk der Leute des Dorfes – in deren Hoffnung, das wir einiges davon kaufen. Das schildere ich deshalb so genau, weil der Ablauf in den anderen beiden indigenen Dörfern so ziemlich der gleiche war. Einige Deutsche von meiner Gruppe, ich eigeschlossen, nahmen daran Anstoß, dass die Tänze uns nicht genau erklärt wurden und wir uns deshalb wahrscheinlich nicht korrekt verhielten. Andere, dass die Authentizität dadurch verloren gehen würde, dass die Dörfer jeden Tag so ein Theater für Touristen veranstalten und die Dörfer damit in eine gewisse Abhängigkeit vom Tourismus geraten. Ersteres ist sicherlich wahr, da es unmöglich ist eine Zeremonie, die normalerweise nur einige wenige Male im Jahr stattfindet jeden Tag für Touristen authentisch rüberzubringen, da ein großer Teil ihrer Wahrhaftigkeit davon abhängt, dass sie für die Leute die darin teilnehmen etwas besonders ist. Zu der Abhängigkeit versicherte uns einer unserer Guides, der der Dorfvorsteher eines der Dörfer ist, dass der Tourismus lediglich eine Nebeneinkunft für die Tikunas (so heißt der diese Volksgruppe in dem Teil des Amazonas den wir besichtigten) sei; neben dem Anbau von Yuca und dem Fischfang. Eine Alternative zu der Art von Besichtigung konnte sich jedoch keiner aus unserer Gruppen vorstellen.
Tanzen bei den Tikunas
Am selben Tag beobachteten wir außerdem die Amazonas-Flussdelfine, die es in rosa und grau gibt. Sie sind vom Aussterben bedroht, weil sie mit den Fischern in Konkurrenz stehe und deshalb hin und wieder von diesen umgebracht werde. Ein Bild von ihnen zu machen ist allerdings nur den wenigsten von uns gelungen, da sie nur kurz auftauchen und dann auch schon wieder verschwunden sind.
Malen mit Tikunakindern
Am selben Tag gingen wir außerdem noch in einem See, der nur durch einen engen Seitenarm mit dem Amazonas verbunden ist schwimmen. Nachdem wir alle nach Geschichten von Zitteraalen, und Piranhas, bei extrem trüben Wasser anfangs ziemlich Bammel hatten sind letztendlich doch noch alle reingesprungen. Das war bei Sonnenuntergang, und da das Wasser angenehme 25° hatten und man sich mit Schwimmweste auch einfache treiben lassen konnte waren ich dabei einfach selig. Das Gefühl im Amazonas zu schwimmen ist eben schon etwas ganz besonderes.
Über Nacht schliefen wir dann in runden, mit getrockneten Blättern gedeckten Bungalows, ein Stückchen flussaufwärts von Puerto Nariño.

Tag 3:
Am dritten Tag wurden wir, nachdem es morgens erst mal einen heftigen Wolkenbruch gegeben hatte zu einem Zentrum für Bildung über den Amazonas gebracht. Dort guckten wir uns erst mal einen Film über die Delfine an, die übrigens in der Mythologie der Tikuna, mit einer Anakonda als Lendenschurz, einem Stachelrochen als Hut und einer Schnecke als Uhr an Land kommen  können. Außerdem erzählte uns einer der Mitarbeiter dieses Zentrums, in einer Art Planetarium einige Geschichten weiter Geschichten der Tikuna, unter anderem deren Schöpfungsmythos. Des Weiteren wurden wir über so ziemlich jeden bedeutsameren Fisch im Amazonas aufgeklärt, wobei sich herausstellte, dass Piranhas eigentlich gar nicht so gefährlich sind. Die sind nämlich hauptsächlich Aasfresser, was sich uns auch zeigte, als unser Guide später einen toten, an Karies gestorbenen Delfin aus dem Wasser zog, bei dem Piranhas schon eine Gesichtshälfte weggefressen hatten. Lediglich wenn sie Blut im Wasser wahrnehmen oder extrem Hungrig sind fallen sie andere Tiere (auch Artgenossen) oder auch Menschen an.
Am selben Tag stand für und auch eine weiter „Comunidad indigena“ auf dem Programm, in der wir wieder tanzten, ein bisschen mit Lehm auf dem Fluss töpfern durften, mit den Kindern Armbändchen flochten und dann zu Ständen mit Artesanias gekarrt wurden.

Tag 4:
Nach einer weiteren „Communidad indigena“ mit mehr oder weniger dem gleiche Programm wurden wir zum ersten Mal auf die Peruanische Seite gebracht. Von dort wanderten wir auch zum ersten Mal durch den Urwald zu einer stattlichen Herberge, die idyllisch an einem von Amazonas abgeschnittenen See liegt. Den Regenwald von nah, genauer gesagt von inne zu sehen war für mich eine ganz besondere Erfahrung, weil es eines von diesen Dingen war, von denen man immer hört, die man aber selten sieht, riecht und hört; sprich erfährt. Und es war wirklich spektakulär: Bäume verschiedenster Arten mit einem extrem sich überlappenden Kronen, Brettwurzeln mit deren Hilfe man über Kilometer hinweg kommunizieren kann, Lianen überall, riesige Tausendfüßler und Ameisen, die mehr als doppelt so groß sind wie die in Deutschland.
Bei dieser Herberge angekommen standen und eine Reihe von Aktivitäten offen, die wir der nach Belieben machen konnten: Kajak auf dem See fahren, durch weiter durch den Urwald wandern, auf eine Plattform in einem der höchsten Baume weit und breit steigen, Angeln oder Totenkopfäffchen besuchen. Am beeindrucktesten davon fand ich den Aufstiegt auf den Baum. Dabei musste man mit Kletterausrüstung 35 m auf einen Baum steigen. Von der Plattform in der Krone konnte manim Sonnenlicht des Spätnachmittags über den umliegenden Regenwald und den See gucken. So wurde Minecraft Realität :D

Ausblick über den See
35 m in die Baumkrone

Die Plattform im Baum á la Minecraft

Ein ganz besonderes Highlight war auch die Nachtwanderung am selben Tag bei der wir nicht nur die extreme Geräuschkulisse des Regenwaldes hören konnten sondern außerdem die Geschichten unseres Führers über der Waldgeist „Curupira“, der die Gestalt von jedem Wesen annehmen kann, wobei man ihn daran erkennt, dass einer seiner Füße normal nach vorne steht, der andere jedoch nach hinten. Er beschützt nicht nur den Wald vor denen die ihm Böses wollen sondern, hilft auch jenen, die ihn achten. Diese“ Geschichte“ ist nicht nur für die Tikunas sondern auch für unsere Guides und die allermeisten Leute in dieser Region des Amazonas so real wie Moskitos, die dort permanent stechen. Die anschließende, langsame Fahrt im Kanu über den See bei pechschwarzem Regenwald, einem sternenklaren Himmel mit mehr Sternen, als ich jemals zuvor gesehen hatte, die sich in der Spiegelglatten Wasseroberfläche spiegeln, bei ehrfürchtiger Stille war der perfekte Abschluss unserer Tour.

Die nächsten paar Tage war für uns dann der Nachhauseweg angesagt; zuerst im Motorboot, dann im Taxi, dann im Flugzeug, dann im Auto und dann wieder im Taxi. Außerdem sind meine schwäbischen Instinkte durchgekommen, als ich die Preise für Hochprozentiges in Brasilien gesehen hab… :D Danke an alle, die so interessiert sind, dass sie sich durch diese drei Seiten in Schriftgröße 11 in „Word“ durchgekämpft haben. Demnächst werde ich einige weniger lange, kurzweiligere und andersartige Berichte veröffentlichen.
  
Bis Bald

Sonntag, 28. Oktober 2012

Meine Schule (nach 2 Monaten)


Weil in den letzten zwei Woche bei mir echt nichts Spektakuläres passiert ist möchte ich in diesem Eintrag ein bisschen detaillierter über mein Projekt berichten. Das habe ich zwar schon einmal gemacht; allerdings ist das damals ein bisschen knapp und unpersönlich ausgefallen. Teils deshalb, weil ich einen Überblick geben wollte, teils weil ich mich damals noch nicht so gut auskannte.

Der Hauptplatz meiner Schule mit Schülern der Klassen 1-5
Wie gesagt unterrichte ich vormittags die Klassen 6 bis 11 zusammen mit der Englischlehrerin der Schule und nachmittags die Klassen 1 bis 5 alleine. Dabei bereitet meine Kollegin immer den Unterricht vormittags vor. Für nachmittags muss ich mir also selbst was ausdenken, was bei den jüngeren (Klassen 1 bis 3) daraus besteht einzelne Vokabeln zu lernen, meistens durch malen oder singen. Bei Klassen 4 und 5 kann ich allerdings auch erste Sätze mit der Klasse bilden, weil diese Klassen die diszipliniertesten der ganzen Schule sind.
Disziplin! Ein großes Thema in fast allen Klassen. Da die Schüler an meiner Schule häufig die sind, die andere Schulen abgelehnt haben, haben wir ein überproportional  großes Problem mit Disziplin und Respekt gegenüber der Lehrkraft und andern Schülern. Meine Direktorin erklärte mir, dass die Schüler teilweise zuhause ständig Beleidigungen an den Kopf geworfen kriegen und geschlagen werden, sodass sie das dann in der Schule an ihre Klassenkameraden und Lehrer weitergeben.  Abhängig von der Klasse müssen wir deshalb permanent irgendwelche Schlägereinen schlichten. „Callense!“ (haltet den Rand), „Sientanse!“ (setzt euch) und „No se pelean!“ (Schlagt euch nicht) gehören so zu den meistbenutzten Sätzen im Unterricht. Die Situation ist bei den unteren Klassen häufig wegen ihrer Größe noch viel schlimmer. Mit dreißig schreienden Drittklässlern in einem Raum, einfach nicht an ihrem Platz bleiben wollen , manchmal spontan entscheiden auf dem Boden rumzurobben oder mit Müll aus dem Mülleimer ihre Klassenkameraden zu bewerfen ist es manchmal etwas schwierig die Körperteile auf Englisch zu erklären. Meine Strategie dabei ist es einfach die Störenfriede beharrlich zur Ruhe zu rufen, sie, wenn nötig, an ihren Platz zurückzutragen, und mir mit einem lauten „Silencio!“ rufe zu verschaffen. Das hat mal mehr, mal weniger Erfolg. Als Sanktionsmöglichkeit haben wir Lehrer lediglich das „Observador“ genannte Tagebuch oder den Gang zur Rektorin. Beide jagen den Schülern aber nur mäßig Angst ein. Mitunter deshalb sind viele Schüler auch relativ unbeeindruckt wenn ihnen Lehrer Anweisungen erteilen.

Einige Vorfälle in letzter Zeit, die mich als Lehrer eher traurig als verärgert stimmen, waren, dass sich einige Schüler neulich auf dem Schulklo mit einer Nadel die Zunge durchstochen haben um sich so einen Piercing zu machen. Die Schmerzen und die Infektionsgefahr dabei sind, wie man sich vorstellen kann, extrem hoch; der Preis, verglichen mit einem Piercing, durchgeführt nach den Regeln der medizinischen Kunst, jedoch unschlagbar niedrig.
Außerdem habe ich letzte Woche auf dem Nachhauseweg von der Schule eine von meinen Schülerinnen gesehen, die auf der Straße Pappkartons aufgelesen hat, diese kleinriss und sie in einen großen Bollerwagen warf. An dem Tag war sie, wie sowieso auch sonst nur selten, nicht in der Schule. Als ich vorbeilief verdeckte sie ihr Gesicht mit den Händen und wand es von mir ab. Ihr war es offensichtlich peinlich, dass ich sie bei dieser Tätigkeit sah. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass sie, weil ihre Mutter wegen Mord im Gefängnis sitzt, bei ihrer Tante wohnt, die Müllsammlerin ist. Offensichtlich muss sie dabei des Öfteren mithelfen.
Miguel, unser „Master of Desaster“ aus der berüchtigten sechsten Klasse, zog neulich als er sich mal während er sich mal wieder mit den anderen Jungs in seiner Klasse schlug, einfachmal im Unterricht seinen Schlagring raus um damit Drohgebärden  in Richtung seines Gegners zu machen. Ich haben ihn natürlich sofort angefahren, dass er das Ding rausrücken soll: Waffen sind natürlich in der Schule verboten. Er allerdings steckt ihn einfach in die Tasche und sagt er hätte keinen. Das verkompliziert die ganze Angelegenheit beträchtlich. Unter kolumbianischem Gesetz ist es nämlich Kindesmissbrauch als Lehrer auch nur die Taschen eines Schülers zu durchsuchen. Das darf man nur, wenn man davor die, für solche Angelegenheiten zuständige, Kinderpolizei gerufen hat. Das wusste ich damals allerdings noch nicht, also haben wir Miguel der Schulpsychologin übergeben, die mit ihm ein höchst aufschlussreiches Gespräch führte (er weigerte sich zu sprechen). Danach ging er nach Hause. (die Sache hatte noch ein Nachspiel, als die Direktorin mitgekriegt hat, dass die Psychologin effektiv nichts gemacht hatte)

Diese Umstände sind die, die den Unterricht teilweise ziemlich schwer machen. Manche Lehrer gehen dann einfach dazu über die Schüler, die die Problem verursachen, rauszuschicken und nur mit denen Unterricht zu machen die wollen. Das führt natürlich dazu, dass der Unterricht an denen vorbeigeht, die ihn am meisten nötig hätten… Ich lasse mich von den ganzen Versuchen meinen Unterricht zu sabotieren allerdings nicht zu sehr beeindrucken und nehme sie schon gar nicht erst persönlich. Für die Lehrer die das tun ist der ganze Unterricht nämlich eine ziemliche nervliche Belastung.
Allerdings ist es auch wichtig zu wissen, dass nicht alle Schulen in Kolumbien so sind wie meine. Meine Koleginnen meinen, dass es in ganz Sogamoso und Duitama (die beiden größten Städte in der Nähe) keine Schule gibt, mit so vielen und schwerwiegenden Problemen wie meine. Auch die anderen Öffentlichen Schulen scheinen relativ gut zu sein, auch wenn fast alle Leute die es sich leisten können ihre Kinder auf Privatschulen geben.

Fahnenapell mit Gebet und den Hymnen von Kolumbien, Boyacá und Sogamoso
Außerdem sind meine Englischlehrerin und ich dabei den „English-Day“ zu organisieren. Dieser Tag wir vom kolumbianische Bildungsministerium vorgeschrieben und ist Teil dessen Planes das ganze Land bis 2020 zweisprachig zu machen (eine etwas unrealistische Zielsetzung, wenn man mich fragt, aber das sei mal dahingestellt). Dazu macht jede Klasse eine oder mehr Aktivitäten, wie z.B. ein Lied auf Englisch vortragen oder einen Tanz zu englischer Musik tanzen. Das führt dazu, dass mir „The Wind of Change“, eins von den Liedern, die wir ausgesucht haben ziemlich zum Hals heraushängt. Allerdings schlagen sich die Schüler die singen wollen erstaunlich gut, wie ich finde und somit bin ich halbwegs zuversichtlich, dass der Tag auch ein Erfolg wird.

Des Weiteren funktioniert der Gesangsunterricht, den ich seit einigen Wochen an eine blinde, ehemalige Schülerin gebe, die bald anfangen wir Musik zu studieren ganz gut. Sie muss sich noch überwinden laut zu singen, aber ich meine mit meinem Beschränkten Gehör einige Verbesserungen feststellen zu können. An dieser Stelle vielen Dank an Frau Lessle, meine ehemalige Gesangslehrerin, für die ganzen hilfreichen Tipps die sie mir gegeben hat. Zusammen mit einigen von meinen alten Gesangsetüden, die mir meine Eltern geschickt haben lässt sich, glaube ich, einiges bei dieser Schülerin bewegen.
Auch zum Thema Gesang: Da hier, so wie es schein alles eine offizielle Hymne zu haben scheint, nur meine Schule bis jetzt noch nicht, will der Musiklehrer meiner Schule will eine Schulhymne zusammenstellen und dabei das relativ gut Schulorchester (nur möglich durch eine großzügige Instrumentenspende an die Schule) verpflichten. Außerdem hat er mich gefragt ob ich die Hymne singen will. Da kann ich natürlich nicht nein sagen. Wenn die Aufnahme dann mal existiert kann ich sie vielleicht auch hier in meinen Blog stellen.


Mini-Fußball, die kolumbianische Nationalsportart, auf dem Sportplatz der Schule
Abgesehen von Schule ist doch noch etwas passiert: Ich war, zwar nicht sehr schlimm und als letzter von den AFS-Freiwilligen in Sogamoso, krank. Lediglich ein bisschen Fieber und Gliederschmerzen und auch nur zwei Tage. Ich hab die Zeit, wo ich nicht in der Schule war natürlich produktiv genutzt  und hab mir in beinahe neun Stunden alle drei Teile von „Herr der Ringe“ reingezogen (die einzigen DVDs in unserem Haus, die keine Raubkopien sind).




Jetzt ist aber auch Schluss. Lest weiter so angeregt und ich freue mich auf Feedback! 

Sonntag, 14. Oktober 2012

Urlaub im "warmen Land"


So, da wären wir auch schon wieder. Mit „wir“ meine ich meinen Gastbruder Miguel und ich und mit „da“, zu Hause, weil wir gerade von unserem etwa einwöchigen Aufenthalt in Yopal zurückgekommen sind von dem ich in diesem Eintrag berichten werde.

Da die letzte Woche Ferien waren hatte mich meine Familie schon vor längerem gefragt, ob in dieser Woche nicht mal mit ihnen nach Yopal fahren wollte um dort ihre Verwandten zu besuchen (meine Familie hat eine riesige Verwandtschaft: acht Geschwister auf der Seite meines Vaters und neun auf der meiner Mutter). Zu meiner großen Bestürzung musste ich dann vor einigen Wochen erfahren, dass die Schüler zwar Ferien haben, die Lehrer aber jeden Tag zu einer Fortbildung antanzen dürfen. Deshalb habe ich dann rechtzeitig mit meiner Direktorin abgeklärt, dass ich diese Zeit nutzen kann um das schöne Land Kolumbien zu entdecken und gleichzeitig Zeit mit meiner Familie verbringen kann, was hier ja sowieso sehr großgeschrieben wird und hab die Woche freigekriegt. Gute Beziehungen zu Vorgesetzten zahlen sich eben aus… J Allerdings stellte sich kurz vorher heraus, dass meine Eltern nicht mitkommen würden, weil sie in dieser Zeit unglücklicherweise arbeiten mussten. Folglich haben mein Gastbruder und ich dann am Dienstag, einen Tag später als geplant, weil mein Bruder sich bei irgendeiner Katze, gegen die er eine Alergie hat, ein rotes Auge geholt hat, den Bus nach Yopal. 
Dieser Bus klettert von Sogamoso erst mal fast tausend Meter den Berg hoch, bis auf über 3000 Meter aufs kalte Hochmoor von Boyaca (mein Departamento) um den Rest der Strecke wieder fast 3000 Höhenmeter nach Yopla runterzufahren, dass auf 300 Metern im Amazonasbecken gelegen ist. Dabei passiert er 3 Klimazonen: Erstens das „Paramo“, dann zweitens das gemäßigte Klima, in dem auch Sogamoso liegt und schließlich „tierra caliente“, das „warme Land“, in dem auch Yopal liegt.
Auf ca. 3.200 Metern Höhe: Das "Paramo" genannte Hochmoor
Zwei Klimazonen und 3000 Meter weiter unten: das tropische Yopal

Yopal selbst liegt genau an der Stelle, wo die Anden abrupt in das topfebene „Llano“ münden. Das ist die Ebene, die in ungefähr 300 km südwestlich von Yopal in den Amazonasregenwald übergeht.  In dieser Ebene wächst hauptsächlich Gras und wird deshalb zur Viehzucht und teilweise zum Reaisanbau benutzt.  Ich war in meinem ganzen Leben noch nie in so einem extrem flachen Gebiet. Weil es wie eben bemerkt im „tierra caliente“ liegt ist es dort ziemlich warm, während ich dort war 25° – 30°. Somit war ich zum ersten Mal in dem Teil Kolumbiens, den man allgemein vor Augen hat, wenn  man sich in Deutschland Kolumbien vorstellt, nämlich den tropischen.  Yopal ist relativ neu, war bis vor einigen Jahren hauptsächlich ein Dorf abhängig von Viehwirtschaft. Seitdem allerdings die Paramilitärs aus der Umgebung vertrieben wurden (mehr zum bewaffneten Konflikt in Kolumbien später), und man dort Öl gefunden hat ist die Stadt rapide gewachsen.
Das Llano mit den Anden in der Ferne und ewigem Grasland im Rücken




















Dort  sind wir in den Wohnungen unserer Verwandten untergekommen die alle im selben Apartmentkomplex liegen. Diese Verwandten bestehen aus zwei Tanten und einem Onkel meiner Familie und deren Kindern. Den ersten Tag verbrachten wir in der fast vertikalen, tropischen Sonne an einem Pool , wo ich mir meinen ersten richtigen Sonnenbrand einfing. Außerdem spielten wir diverse Spiele auf der Xbox 360, die meinen Gastbruder auch auf diesen Trip begleitete und dabei die Hälfte des Platzes in seiner Tasche in Anspruch nahm.  Danach traf ich mit den zwei anderen AFS- Freiwilligen, die in Yopal wohnen.  Nachdem ich mit Rebekka – einer von ihnen -  einige Erfahrungen ausgetauscht hatte nahm sie mich mit in ihre Familie, die mich zwar sehr herzlich aufnahm und bewirtete, aber gleichzeitig meinen Eindruck, dass ich es mit meiner Familie sehr gut getroffen habe verstärkte. Ich bin gleichzeitig froh, dass meine Familie weniger Wert auf Äußerlichkeiten legt, wie z. B. Maniküre, Plastikfiguren von Elfen und sonstigen Kitsch, als auch, dass sie im Vergleich zu Rebekkas weniger bemutternd und bevormundend sind. Mit ihren Eltern haben wir dann auch das WM-Qualifikationsspiel Kolumbien gegen Paraguay angeguckt, bei dem Kolumbien letztendlich 2:0 gewonnen hat. Obwohl nach meiner Ansicht die Strategie beider Teams darauf bestand,  einfach mal nach vorne zu bolzen und dann das Beste draus zu machen waren die Korsos aus Motorrollern danach enorm!!

Juan Diego mein Gastcousin mit Papagei
Pipo quiere galleta!!
Ein paar Abende, auf die ich vielleicht ein anderes Mal eingehen werde, waren wir auch mit Jonas, dem anderen Freiwilligen dort weg. Außerdem waren wir noch in einem Zoo mit verschiedenen Tieren des tropischen Kolumbiens, wie Papageien, zwei fetten Schlagen und Mini-Jaguaren in viel zu kleinen Käfigen. Während der ganzen Zeit ist der kleinste meiner Cousins, der gerade einmal 9 Jahre alt ist quasi zu meinem Fan mutiert und wollte, wie schon einige Kolumbianer(innen:) hier, unbedingt von mir Deutschunterricht haben. Es ist echt bemerkenswert, dass er viele Laute auf Deutsch viel genauer nachmachen konnte als die meisten Älteren, die damit normalerweise viel mehr Probleme haben.

Soviel zu meinen letzten Tagen, meinen ersten Ferien, und ich hoffe an dieser Stelle bald einige Bilder von meiner Schule und meinen Schülern veröffentlichen zu können. Also guckt in nächster Zeit mal wieder hier vorbei!

Dienstag, 25. September 2012

Trari Trara, der Alltag ist da


Da ich das grad eben bei Jans Blog gesehen hab, sage ich euch, dass ich gerade Loch Lomond höre (Wer auf Indie Rock steht à check it out). Das würde erklären, dass dieser Artikel vielleicht einen leicht sentimentalen Unterton hat.  :D

Da wären wir also: der Alltag ist eingekehrt. Ich gehe also jeden Morgen zur Schule, zwei Tage Woche auch mal ein bisschen früher, da die Schule da für mich um 6:15 Uhr anfängt. Meinen Schulweg habe ich seit letztem Wochenende um mehr als 50% abgekürzt indem ich das Fahrrad, das bei uns seit Jahren im Hinterhof rumgammelt und Rost ansetzt auf Vordermann gebracht habe. Das hab ich erstmal gründlich von Hundehaaren und Staub gereinigt und dann zur Generalüberholung in eine Fahrradladen gebracht (wir haben weder Luftpumpe noch Reifenflickzeug). Der Typ dort hat daraufhin eine halbe Stunde daran herumgedoktert und währenddessen beide Reifen geflickt und aufgepumpt, die Bremsen eingestellt und den Sattel und Lenker erhöht während ich mir den Kopf darüber zerbrochen habe, ob die 40 €, die ich dabei hatte überhaupt ausreichen würden.  Nach einer halben Stunde kommt er mit einem wie neu aussehenden Fahrrad aus seiner Werkstätte: Preis: 5.000 Pesos (2,15 €) :D
Außerdem war ich letzte Woche zu Besuch beim Schwimmverein Duitama, weil ich nach einer Möglichkeit suchte endlich mal wieder regelmäßig Sport zu machen. Duitama, eine mittelgroße Stadt, deswegen, weil es dort eine 50 m großes olympisches Schwimmbecken gibt, in dem man auch trainieren kann (in Sogamoso gibt es zwar eine Schwimmbecken, das allerdings geschätzte 36° Grad und die Startblöcke auf der falschen Seite hat und somit gänzlich ungeeignet zum Trainieren ist).  Nachdem mich Freunde meiner Familie, die selber Kinder in dem Schwimmverein haben, freundlicherweise dem Trainer und dieser mich dem Team vorgestellt hatten zog ich also mit ihnen einige Bahnen. Nachdem ich mich schon etwas gewundert hatte über das Programm (Ausdauer: 500 – 400 - 300 – 200 – 100 – 100 – 200 – 300 – 400 – 500) fragte ich mal einen von den Jungs nach ihrer Zeit auf 100 m Kraul: 53 s (de f**ck!!!!!!!!!!!). Ein anderer: 56 s (!!!). Damit hätte er nicht üble Chancen auf den deutschen Meisterschaften und lässt mich mit meiner Bestzeit von 1:01:16 ganz schön alt aussehen… Wenig später auch die Erklärung: Dieser Verein ist kein Verein, sondern die vom kolumbianischen Staat finanzierte Liga Boyacá, die Creme de la Creme des Schwimmsports aus meinem Departamento (Boyacá) in die nur die besten von verschiedenen Vereinen dürfen und die  Boyacá bei nationalen Wettkämpfen vertritt. Außerdem sind machen von den Leuten dort auch in der Selección Colombia also dem kolumbianischen Nationalkader. Dafür müssen sie allerdings auch 6 Tage die Woche von 5 bis 7 Uhr morgens und nach der Schule von 4 bis 7 Uhr Wasser bewegen. So ein Programm lässt nicht nur alles, was ich jemals sportlich gemacht habe alt aussehen, sondern lässt auch wenig Zeit für ein Leben.
Trotzdem wurde ich von allen dort neugierig und begeistert aufgenommen und werde mich demnächst mal mit der Chefin der Liga kurzschließen, ob ich vielleicht auch ein etwas weniger krasses Programm machen kann (ich hab erst ab November 3 Nachmittage frei, weil dann mein Spanischkurs und meine Englisch Nachhilfen, die ich an der Privatschule meines Gastbruders gebe, aufhören).
An sonsten läuft sportmäßig im Moment nicht so viel bei mir (außer einige kleine Versuche ein bisschen zu joggen und einem Tanzkurs der demnächst anfangen wird, wenn man das als Sport bezeichnen will), was mich ein wenig nervt. Nicht so sehr habe ich einen extremen Bewegungsdrang, sondern vielmehr gehört zu meinem allgemeinen Wohlbefinden einfach ein Mindestmaß an Sport ohne das ich mich irgendwie weich fühle. Außerdem das ich, glaube ich, abgenommen hab, hab ich auch ziemlich Muskeln abgebaut…:(
Wo wir bei meinem Gefühlsleben wären (mache wundern sich jetzt vielleicht, aber ja, es existiert :D). Das was ich ins Internet herausposaunen werde ist das: Kein High Life, aber auch keine Depression. Das ganz normale Glücksniveau, das sich einstellt wenn man halbwegs regelmäßig mit neuen interessanten Sachen gefüttert wird. Der Alltag ist eben komfortabel, aber immer noch Alltag. Verglichen mit anderen Freiwilligen hier lebe ich allerdings geradezu auf einem Endorphintrip…
Um diesen Alltag zu bekämpfen werden wir, meine Familie und ich, allerdings in den Schulferien im Oktober für eine Woche nach Yopal fahren und dort Familie und andere Freiwilligen besuchen (Iuhu!). Yopal ist warm und das mag ich; so einfach ist das. Außerdem hab ich gestern meinen Flug an den Amazonas für Dezember gebucht… :D

Bis demnächst, meine interessierten und fleißigen Leser.