Montag, 10. Dezember 2012

Amazonas


Nach viel zu langer Zeit melde ich mich jetzt wieder mit einem Eintrag über die letzte Woche zurück. In dieser Woche waren meine Gastschwester und ich mit einer Gruppe von AFS-Freiwilligen und Schülern am Amazonas. Die Ereignisse dieser ereignisreiche Woche möchte euch hier erzählen.

Tag 1:
Obwohl die Tour offiziell erst einen Tag später anfing hatten wir (meine Gastschwester und ich uns dazu entschieden einen Tag früher zu fliegen, weil die Flüge an diesem Tag erheblich billiger waren. Wir machten uns also am Sonntagmorgen um 8 Uhr von Sogamoso mit dem Bus nach Bogotá auf, mussten zum Check-in rennen, weil uns nur noch wenig Zeit blieb. Im letzten Moment fanden wir heraus, dass die Weinflasche, die wir für einen entfernten Verwandten in Leticia mitgenommen hatten, damit er uns in seinem Haus schlafen ließe, in meinem Rucksack Leck geschlagen hatte. Somit mussten wir diese leider in den 5 Minuten vor der Passage der Sicherheitskontrollen vernichten…
Leticia ist die mit um die 30.000 Einwohnern die größte Stadt am kolumbianischen Amazonas und grenzt direkt an Brasilien, wo sie direkt Tabetinga anschließt. Leticia kann nur über den Flughafen oder über den Amazonas erreicht werde, was Autos dort nur bedingt nützlich macht. Deshalb sieht man dort fast nur kleine Motorroller. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Amazonas liegt Peru, das wir auch besuchen sollten. Wir haben es dabei also mit einem Dreiländereck zu tun.
Nachdem wir uns im Flugzeug schon mit einigen andern von unserer Gruppe getroffen hatten, die auch einen Tag früher flogen und nachdem wir nach 2 h Flug in Leticia angekommen waren, nahm uns am Flughafen unserer entfernter Verwandter in Empfang, ein Zahnarzt, der schon seit 30 Jahren in Leticia lebt. Er führ mit uns nach Brasilien und lieferte uns dann bei einem  Hotel ab, seiner Meinung nach eine großartige Möglichkeit die Nacht zu verbringen. Weil keiner von uns beiden so dreist war sich einfach selbst bei ihm einzuladen gingen wir letztendlich in das Hotel, das für den Preis echt anständig war. Abends trafen wir uns noch mit den anderen von unserer Gruppe zum Abendessen und tauschten danach noch die Erfahrungen aus, die wir bis jetzt in unseren Projekten und Gastfamilien gesammelt hatten. Dabei war meiner Meinung nach spürbar, dass im Moment tendenziell eher die Zeit ist, in der sich bei den Meisten eine kleine Depression in ihrer Stimmungskurve einstellt.

Tag 2:
Wenig neues passierte am zweiten Tag, außer, dass wir in ein anderes Hotel umquartiert wurden, das im Reisepreis inbegriffen war, die Restlichen Teilhemer kamen und wir von unseren Reiseführern im Bus noch einmal nach Brasilien gekarrt wurden.

Tag 3:
Eine unserer Lanchas mit der wir uns auf dem Amazonas fortbewegten
Endlich gings los. Früh morgens schifften wir uns auf so genannten  „Lachas“ , kleinen schnellen Motorbooten mit ca. 20 Sitzplätzen, in Richtung Puerto Nariño, eine kleine Ansiedlung von 8.000 Leuten ein Stückchen flussaufwärts. Auf dem Weg dorthin wurden wir zu einer „Comunidad indigena“ (Indigenendorf) gebracht. Wir sollten uns alle auf Sitze aus Baumstämmen setzten, die in einer riesigen Hütte im Kreis für uns aufgestellt waren. Dann Führten, wo die Ankündigung des Tourleiters die Omas des Dorfes mit jüngeren Mädchen, einen Willkommenstanz auf, der hauptsächlich daraus bestand vor und zurück zu laufen, wobei eine Oma mit Trommel den Takt vorgab und dazu sang. Allmählich wurden auch wir zu Mitmachen animiert und nach einer Weile war die ganze Gruppe am Tanzen. Danach wurde uns vorgeführt wie man aus einem giftigen Baum, den man im Regenwald finden kann einen Stoff gewinnt, indem man ihm die Rinde in einzelnen Schichten abzieht und dann breitschlägt. Anschließend wurde jedem von uns ein Kind des Dorfes zugeteilt, mit dem wir eine Bild auf besagtem Stoff malen sollten, mit Farben, die man aus allerlei Urwaldpflanzen gewonnen hatte. Zum Schluss wurden wir alle durften wir die Stände mit „Artesania“ begucken - Kunsthandwerk der Leute des Dorfes – in deren Hoffnung, das wir einiges davon kaufen. Das schildere ich deshalb so genau, weil der Ablauf in den anderen beiden indigenen Dörfern so ziemlich der gleiche war. Einige Deutsche von meiner Gruppe, ich eigeschlossen, nahmen daran Anstoß, dass die Tänze uns nicht genau erklärt wurden und wir uns deshalb wahrscheinlich nicht korrekt verhielten. Andere, dass die Authentizität dadurch verloren gehen würde, dass die Dörfer jeden Tag so ein Theater für Touristen veranstalten und die Dörfer damit in eine gewisse Abhängigkeit vom Tourismus geraten. Ersteres ist sicherlich wahr, da es unmöglich ist eine Zeremonie, die normalerweise nur einige wenige Male im Jahr stattfindet jeden Tag für Touristen authentisch rüberzubringen, da ein großer Teil ihrer Wahrhaftigkeit davon abhängt, dass sie für die Leute die darin teilnehmen etwas besonders ist. Zu der Abhängigkeit versicherte uns einer unserer Guides, der der Dorfvorsteher eines der Dörfer ist, dass der Tourismus lediglich eine Nebeneinkunft für die Tikunas (so heißt der diese Volksgruppe in dem Teil des Amazonas den wir besichtigten) sei; neben dem Anbau von Yuca und dem Fischfang. Eine Alternative zu der Art von Besichtigung konnte sich jedoch keiner aus unserer Gruppen vorstellen.
Tanzen bei den Tikunas
Am selben Tag beobachteten wir außerdem die Amazonas-Flussdelfine, die es in rosa und grau gibt. Sie sind vom Aussterben bedroht, weil sie mit den Fischern in Konkurrenz stehe und deshalb hin und wieder von diesen umgebracht werde. Ein Bild von ihnen zu machen ist allerdings nur den wenigsten von uns gelungen, da sie nur kurz auftauchen und dann auch schon wieder verschwunden sind.
Malen mit Tikunakindern
Am selben Tag gingen wir außerdem noch in einem See, der nur durch einen engen Seitenarm mit dem Amazonas verbunden ist schwimmen. Nachdem wir alle nach Geschichten von Zitteraalen, und Piranhas, bei extrem trüben Wasser anfangs ziemlich Bammel hatten sind letztendlich doch noch alle reingesprungen. Das war bei Sonnenuntergang, und da das Wasser angenehme 25° hatten und man sich mit Schwimmweste auch einfache treiben lassen konnte waren ich dabei einfach selig. Das Gefühl im Amazonas zu schwimmen ist eben schon etwas ganz besonderes.
Über Nacht schliefen wir dann in runden, mit getrockneten Blättern gedeckten Bungalows, ein Stückchen flussaufwärts von Puerto Nariño.

Tag 3:
Am dritten Tag wurden wir, nachdem es morgens erst mal einen heftigen Wolkenbruch gegeben hatte zu einem Zentrum für Bildung über den Amazonas gebracht. Dort guckten wir uns erst mal einen Film über die Delfine an, die übrigens in der Mythologie der Tikuna, mit einer Anakonda als Lendenschurz, einem Stachelrochen als Hut und einer Schnecke als Uhr an Land kommen  können. Außerdem erzählte uns einer der Mitarbeiter dieses Zentrums, in einer Art Planetarium einige Geschichten weiter Geschichten der Tikuna, unter anderem deren Schöpfungsmythos. Des Weiteren wurden wir über so ziemlich jeden bedeutsameren Fisch im Amazonas aufgeklärt, wobei sich herausstellte, dass Piranhas eigentlich gar nicht so gefährlich sind. Die sind nämlich hauptsächlich Aasfresser, was sich uns auch zeigte, als unser Guide später einen toten, an Karies gestorbenen Delfin aus dem Wasser zog, bei dem Piranhas schon eine Gesichtshälfte weggefressen hatten. Lediglich wenn sie Blut im Wasser wahrnehmen oder extrem Hungrig sind fallen sie andere Tiere (auch Artgenossen) oder auch Menschen an.
Am selben Tag stand für und auch eine weiter „Comunidad indigena“ auf dem Programm, in der wir wieder tanzten, ein bisschen mit Lehm auf dem Fluss töpfern durften, mit den Kindern Armbändchen flochten und dann zu Ständen mit Artesanias gekarrt wurden.

Tag 4:
Nach einer weiteren „Communidad indigena“ mit mehr oder weniger dem gleiche Programm wurden wir zum ersten Mal auf die Peruanische Seite gebracht. Von dort wanderten wir auch zum ersten Mal durch den Urwald zu einer stattlichen Herberge, die idyllisch an einem von Amazonas abgeschnittenen See liegt. Den Regenwald von nah, genauer gesagt von inne zu sehen war für mich eine ganz besondere Erfahrung, weil es eines von diesen Dingen war, von denen man immer hört, die man aber selten sieht, riecht und hört; sprich erfährt. Und es war wirklich spektakulär: Bäume verschiedenster Arten mit einem extrem sich überlappenden Kronen, Brettwurzeln mit deren Hilfe man über Kilometer hinweg kommunizieren kann, Lianen überall, riesige Tausendfüßler und Ameisen, die mehr als doppelt so groß sind wie die in Deutschland.
Bei dieser Herberge angekommen standen und eine Reihe von Aktivitäten offen, die wir der nach Belieben machen konnten: Kajak auf dem See fahren, durch weiter durch den Urwald wandern, auf eine Plattform in einem der höchsten Baume weit und breit steigen, Angeln oder Totenkopfäffchen besuchen. Am beeindrucktesten davon fand ich den Aufstiegt auf den Baum. Dabei musste man mit Kletterausrüstung 35 m auf einen Baum steigen. Von der Plattform in der Krone konnte manim Sonnenlicht des Spätnachmittags über den umliegenden Regenwald und den See gucken. So wurde Minecraft Realität :D

Ausblick über den See
35 m in die Baumkrone

Die Plattform im Baum á la Minecraft

Ein ganz besonderes Highlight war auch die Nachtwanderung am selben Tag bei der wir nicht nur die extreme Geräuschkulisse des Regenwaldes hören konnten sondern außerdem die Geschichten unseres Führers über der Waldgeist „Curupira“, der die Gestalt von jedem Wesen annehmen kann, wobei man ihn daran erkennt, dass einer seiner Füße normal nach vorne steht, der andere jedoch nach hinten. Er beschützt nicht nur den Wald vor denen die ihm Böses wollen sondern, hilft auch jenen, die ihn achten. Diese“ Geschichte“ ist nicht nur für die Tikunas sondern auch für unsere Guides und die allermeisten Leute in dieser Region des Amazonas so real wie Moskitos, die dort permanent stechen. Die anschließende, langsame Fahrt im Kanu über den See bei pechschwarzem Regenwald, einem sternenklaren Himmel mit mehr Sternen, als ich jemals zuvor gesehen hatte, die sich in der Spiegelglatten Wasseroberfläche spiegeln, bei ehrfürchtiger Stille war der perfekte Abschluss unserer Tour.

Die nächsten paar Tage war für uns dann der Nachhauseweg angesagt; zuerst im Motorboot, dann im Taxi, dann im Flugzeug, dann im Auto und dann wieder im Taxi. Außerdem sind meine schwäbischen Instinkte durchgekommen, als ich die Preise für Hochprozentiges in Brasilien gesehen hab… :D Danke an alle, die so interessiert sind, dass sie sich durch diese drei Seiten in Schriftgröße 11 in „Word“ durchgekämpft haben. Demnächst werde ich einige weniger lange, kurzweiligere und andersartige Berichte veröffentlichen.
  
Bis Bald